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Im Interview mit abi» erzählt der Theaterregisseur Barish Karademir (33) von einem einschneidenden Erlebnis im Schultheater, von kreativen Prozessen und vom „schönsten Beruf der Welt“.
Barish Karademir: Das war mit elf oder zwölf in der Schule, als wir mit der Klasse ins Schultheater gegangen sind. Für meine Mitschüler war das gar nicht so interessant, aber für mich war es ein einschneidendes Erlebnis. Als die Schauspieler auf der Bühne gespielt haben, konnte ich total in die Illusion eintauchen und fand das wahnsinnig spannend: dass Menschen vor mir spielen, eine Geschichte erzählen und dabei eine Atmosphäre erzeugen – und man ist live dabei.
Barish Karademir: Ich habe Ballett studiert und danach ein Medizinstudium begonnen, weil ich auch mit Blick auf meine Eltern etwas Bürgerliches studieren wollte. Allerdings habe ich schnell gemerkt, dass ich damit nicht glücklich bin. Ich habe eigentlich schon immer gewusst, dass ich gerne etwas Kreatives machen möchte. Also habe ich mich für Germanistik, Kunstgeschichte sowie Theaterwissenschaften eingeschrieben. Das waren für mich Fächer, in denen ich mir das ganze Hintergrundwissen aneignen konnte, das ich als Regisseur brauchen kann. Dazu gehört ja viel mehr als kreativ zu arbeiten und Produktionsleiter zu sein: Man übersetzt literarische Texte, organisiert den Prozess und kommuniziert viel mit unterschiedlichsten Berufsgruppen.
Barish Karademir: Ich habe ganz klassisch bei mehreren Regisseurinnen hospitiert und dann eine Regieassistenz gemacht, bevor ich selber angefangen habe zu inszenieren. Als Hospitant bist du zwar nur ein unbezahlter Praktikant, aber du bekommst einen sehr guten Einblick in die Strukturen und Abläufe im Theater und siehst, wie Probenprozesse laufen. Als Assistent schaust du dann tatsächlich dem Regisseur über die Schulter und hilfst ihm, indem du einen störungsfreien Probenprozess organisiert. Und dann kannst du langsam damit anfangen, an kleinen Bühnen selbst Theaterstücke zu inszenieren.
Barish Karademir: Ich glaube, je mehr Erfahrung man in verschiedenen Lebensbereichen hat, egal ob durch ein Studium oder einfach durch Lebenserfahrung, desto mehr profitiert man davon. Im kreativen Prozess kannst du am meisten aus dir selber schöpfen, und je mehr Einflüsse du hast, desto weniger musst du dir mühsam erarbeiten. Das Tolle an meiner Erfahrung mit dem Ballett ist, dass ich interdisziplinär arbeiten kann. Zusammen mit Bühnen-, Video-, Sound- und Lichtdesign habe ich damit Zugang zu den unterschiedlichen Möglichkeiten des Theaters.
Barish Karademir: Mir war im Studium schon klar, dass ich Regisseur werden will. Ich hatte überhaupt keine Ambitionen, Schauspieler zu werden oder auf der Bühne zu singen oder zu tanzen. Ich finde den Beruf des Regisseurs einfach viel spannender, weil du Welten und Atmosphären schaffst, weil du Geschichten erzählst. Ich glaube, dass Regisseur einer der schönsten Berufe der Welt ist.
Barish Karademir: Jeder Regisseur ist ja irgendwie ziemlich eigenständig. Es gibt Regisseure, die ich ganz spannend finde und denen ich gerne zuschaue. Richtige Vorbilder habe ich aber nicht.
Barish Karademir: Auf der persönlichen Ebene natürlich eine gewisse Zugänglichkeit und Transparenz sowie eine Wertschätzung gegenüber allen anderen Bereichen im Theater. Also etwa die Fähigkeit, mit Bühnenbild-, Kostüm- und Maskenteams auf Augenhöhe zu kommunizieren. Auf der künstlerischen Ebene finde ich es spannend, wenn es jemand schafft, mit seinem Team und seinen Mitteln eine künstlerische Übersetzung zu schaffen, die über den Text hinausgeht. Konkret meine ich, dass man im Theater nicht nur das Stück sieht, sondern auch eine allgemeingültige Metaebene, die für Themen wie beispielsweise Krieg, Liebe, Existenz oder Eifersucht steht.
Barish Karademir: Das ist eine spannende Frage. Wenn zusammen mit dem Theater ein Stück gefunden ist, les ich es erstmal ganz unvoreingenommen durch. Ich höre dabei meistens Musik, weil ich finde, dass gerade literarische Texte immer so eine Grundmusikalität haben. Und daran erkenne ich auch die, ich sage mal, „Temperatur“ des Stücks. Wenn man zum Beispiel Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ liest, dann erkennt man schon, dass es ein relativ kaltes Stück ist, weil es um sehr existenzielle Themen wie Krieg, Tod und Sterben geht. Als nächstes entscheide ich, welchen Schwerpunkt ich setzen möchte. Interessieren mich an diesem Stück eher gesellschaftliche, zeitgenössische oder auch politische Themen oder eher das Zwischenmenschliche? Im Dialog mit dem Regieteam kommen dann noch Ideen zu Kostüm und Bühne dazu: Will ich das Stück zeitlos oder zeitgenössisch inszenieren? Realistisch oder abstrakt? Welcher Mittel bedient man sich, was passt am besten zu dem Stück? Das sind die ersten Schritte.
Barish Karademir: Im Endeffekt ist es schon eine gewisse Berufung, Theaterregisseur zu werden. Es ist kein Job den man von acht bis siebzehn Uhr macht und danach hat man Feierabend und seine Ruhe. Als Regisseur bist du 24 Stunden am Tag mit deinem Beruf verbunden, auch nach den Proben. Gerade im kreativen Prozess siehst du alles durch eine Theaterbrille, also alles was man sieht, und hört wird immer auf seine Theatralik überprüft. Das läuft manchmal auch unbewusst ab. Für jemanden, der viel Freizeit braucht, ist es nicht der richtige Beruf, glaube ich. Wenn man in einem Probenprozess ist, dann ist man etliche Wochen am Stück unterwegs. Da läuft dann nicht mehr als Theater, schlafen, essen und trinken. Wenn man das liebt, dann ist es der richtige Beruf.
Barish Karademir studierte in München Ballett, in Erlangen zuerst Medizin und wechselte dann zu Theaterwissenschaft, Germanistik und Kunstgeschichte. Nach Assistenzen, unter anderem am Maxim Gorki Theater Berlin und am Théâtre des Bouffes du Nord in Paris, folgten Engagements als Regisseur und Choreograf etwa am Theater Dortmund, in der Tafelhalle Nürnberg und am Stadttheater Fürth. Er gewann 2019 den Kulturpreis der mittelfränkischen Wirtschaft - Förderpreis Theater für seine Arbeit als Regisseur.
Stand: 04.04.2024
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