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Interview: Arbeit im Wandel: „Der Mensch bleibt ein Kompetenzträger“

Neue Technologien verändern was, wo und wie wir arbeiten, sagt Bernd Dworschak vom Fraunhofer IAO. Sie erst ermöglichen Trends wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz (KI), Globalisierung und Homeoffice. Was das für junge Leute, die sich jetzt beruflich orientieren, bedeutet, erklärt er im Interview.

Ein Foto von Bernd Dworschak

abi» Herr Dworschak, wie stark werden Digitalisierung, KI und Co die Arbeitswelt denn verändern?

Bernd Dworschak:: Wir wissen aus den Prognosen schon vor Corona, dass sich an der Gesamtbeschäftigtenzahl gar nicht so viel verändern wird. In ein paar Bereichen wird sie ein bisschen mehr steigen, in anderen ein bisschen runtergehen, aber in der Gesamtzahl wird es künftig gleich viele Arbeitsplätze geben. Allerdings wird es in einzelnen Berufen und Branchen sehr große Veränderungen geben: Verwaltungstätigkeiten werden massiv abnehmen, gleichzeitig werden die verbleibenden Jobs in der Verwaltung deutlich anspruchsvoller. Es wird Fachkräfte brauchen, die Daten interpretieren und in letzter Instanz die wirklich wichtigen Entscheidungen treffen. Ich glaube nicht, dass man im Arbeitskontext der KI alle Entscheidungen überlassen will und wird.

abi» Neue Technologien verändern ja nicht nur, wie und womit wir arbeiten, sondern auch wo.

Bernd Dworschak: Richtig, am Beispiel Homeoffice sehen wir das besonders gut. Das wird dank digitaler Technologien Standard werden, ein vollständiges Zurück ins Büro nach Corona wird es nicht mehr geben. Auch ermöglichen digitale Tools andere, flachere Teamstrukturen und flexibleres, auch agileres Arbeiten. Sie verändern das kulturelle Miteinander. Ein weiteres Beispiel sind die digitalen Nomaden, die, salopp gesagt, vom Strand aus an einem Tag für den einen Auftraggeber und am anderen Tag in einer völlig anderen Team-Konstellation arbeiten können. Das andere Ende der Fahnenstange sind allerdings wiederum sogenannte Crowdworker, die unter prekären Bedingungen Aufträge abarbeiten. (Anm. der Redaktion: Crowdworker sind digitale Tagelöhner. Sie bieten ihre Dienste über Online-Plattformen an und testen beispielsweise Software oder katalogisieren Fotos. Sie sind für verschiedene Unternehmen tätig, aber bei keiner angestellt.)

abi» Wo tun sich hier Chancen für Hochqualifizierte, also Abiturientinnen und Abiturienten, auf?

Bernd Dworschak: Wir leben gerade in einer sehr spannenden Zeit. Vieles ist im Wandel, in welche Richtung, ist noch nicht so ganz klar. Ich meine aber, dass der IT-Bereich auf Jahre und wahrscheinlich Jahrzehnte hinaus ein attraktives Arbeitsfeld sein wird, das ist ziemlich sicher. Und alles, was Nachhaltigkeit betrifft, wird gefragt sein: Regenerative Energien, Energietechnik – für Ausbildungsberufe oder Studiengänge, die sich damit beschäftigen, wird es in den nächsten Jahren sehr gute Beschäftigungschancen geben. Mein Rat an Abiturientinnen und Abiturienten wäre, möglichst offen für neue Technologien zu sein, weil diese wahrscheinlich die größten Jobchancen bieten und gleichzeitig unsere Arbeitswelt am meisten verändern. Auch später im Beruf sollte man diese im Blick behalten und versuchen zu verstehen, was um einen herum diesbezüglich passiert, um abschätzen zu können, welche Auswirkungen neue Entwicklungen auf die eigenen Beschäftigungschancen haben.

abi» Müssen wir also alle in der IT arbeiten oder Ingenieurinnen und Ingenieure werden?

Bernd Dworschak: Oft wird gesagt, digitale Kompetenz sei das wichtigste und überstrahle alles. Denn dank Digitalisierung hätte man ja Zugriff auf das Fachwissen der Welt. Pauschal ist das falsch. Ich sehe nicht, dass Fachkompetenzen, in welchen Bereichen auch immer, unwichtiger werden. Wir gehen davon aus, dass sie nach wie vor eine sehr große Bedeutung haben werden, da sich hier die eigentliche Stärke des Menschen zeigt. Der Mensch bleibt ein Kompetenzträger. Eine Maschine kann nicht die Stränge unterschiedlicher analytischer Ergebnisse etwa einer KI zusammenführen und kreativ in einen neuen Kontext stellen, genauso wenig wie sie in personenbezogenen Dienstleistungen Beziehungspflege betreiben kann. Diese Bereiche haben eine große Zukunft vor sich, etwa der Gesundheitsbereich oder der Bereich Bildung.

Über Bernd Dworschak

Bernd Dworschk beschäftigt sich als Forscher beim Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO mit Fragen, welche Kompetenzen in der technologisierten Arbeitswelt von Morgen gefragt sein werden und wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden beim Erwerb dieser Kompetenzen unterstützen können.