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Frühkindliche Bildung und Erziehung: Verantwortung für ein ganzes Leben

Die ersten Lebensjahre sind die prägendsten. Darin sind sich Hirnforschung und Epigenetik einig. Was wir in ganz jungen Jahren erleben, ist entscheidend für unsere weitere Entwicklung, weiß auch Barbara Nolte vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) aus der Praxis und stellt ein spannendes und verantwortungsvolles Berufsfeld vor.

Mehrere Kinderjacken hängen an einer Garderobe im Flur eines Kindergartens.

„Wenn wir früh die Neugierde wecken, Kinder fördern und präventiv mit benachteiligten Familien arbeiten, dann hat das einen lebenslangen, positiven Effekt“, sagt Barbara Nolte. Die Leiterin des Referats Erzieher/-innen des VBE Nordrhein-Westfalen arbeitet selbst seit mehr als 40 Jahren in einer Kindertagesstätte. „Wir haben eine unglaublich große Verantwortung. Im Dreiklang aus Bildung, Betreuung und Erziehung legen wir die Basis für eine Entwicklung hin zu Selbständigkeit, Freude am Lernen, Selbstorganisation und Kreativität.“

Im außerfamiliären Bereich übernehmen vor allem Erzieher/innen, Kinder- oder Heilerziehungspfleger/innen, Pädagogen und Pädagoginnen der frühen Kindheit, Heil- oder Sozialpädagogen/-pädagoginnen, sowie Sozialarbeiter/innen diese verantwortungsvolle Aufgabe. Sie arbeiten in Krippen, Kindergärten, in der offenen Ganztagsbetreuung bzw. im Hort, in Kinderkliniken, in Heimen, bei Ferienfreizeiten, in der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder in der Familienhilfe. Auch Kunst-, Theater-, Sport-, und Musikpädagogen/-pädagoginnen und Musik- und Tanzlehrer/innen unterrichten Kinder unter sechs.

Lernen mit Kopf, Herz und Hand

Porträt von Barbara Nolte Porträt von Barbara Nolte

Dass es Bildungsangebote schon für die ganz Kleinen gibt, ist der Hirnforschung zu verdanken. „In den 80er Jahren gab es da einen großen Erkenntnis-Schub. Jetzt haben wir viel Wissen um die Bedeutung der frühkindlichen Bildung“, sagt die Expertin und betont, dass Kinder mit Kopf, Herz und Hand lernen. „Schon Babys erfassen im wahrsten Sinne des Wortes. Sie lernen mit allen Sinnen. Ein hüpfender Frosch ist für ein Kleinkind Biologie, Physik, Deutsch, Märchenstunde und vieles mehr zugleich. Das macht die frühkindliche Bildungsarbeit so spannend. Und wir sind völlig frei darin, wie wir diese gestalten. Diese Freiheit haben Lehrer nicht.“

So oder so, verlange die Arbeit mit Kindern viel Kreativität. „Damit meine ich jetzt nicht Basteln, sondern die Fähigkeit, lösungsorientiert zu arbeiten“, erläutert die Erzieherin. Sprachkompetenz und Sprache vermitteln zu können, Teamfähigkeit, Empathie, Flexibilität und eine gefestigte Persönlichkeit nennt sie als weitere wichtige Eigenschaften. „Je besser das Personal ausgebildet ist, umso besser kann es die individuelle Entwicklung eines Kindes begleiten. Dies beinhaltet auch die Familienbegleitung. Wir ergänzen und unterstützen vor allem Eltern. Wir beraten bei Problemen, vernetzen mit Therapeuten oder mit der Familienhilfe, leiten Kooperationen mit unterschiedlichen Institutionen in die Wege. Es ist ein sehr breites, spannendes Aufgabenspektrum“, ergänzt sie.

Ausbildung oder Studium? Beides geht.

Porträt von Angélique Gessler Porträt von Angélique Gessler

Ins Berufsfeld führt klassischerweise eine schulische Ausbildung. „Die Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher an der Fachschule für Sozialpädagogik stellt den klassischen Berufsweg dar“, erklärt Angélique Gessler von der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) des Deutschen Jugendinstituts. In etwa der Hälfte der Bundesländer besteht die Ausbildung aus zwei Jahren überwiegend Schulunterricht, gefolgt von einem Jahr Berufspraktikum in einer pädagogischen Einrichtung. In den anderen sind von Beginn an immer wieder Praktikumsphasen vorgesehen. Ergänzend dazu gibt es mittlerweile auch praxisintegrierte, vergütete Modelle, die einer dualen Ausbildung ähneln.

„Die zu Beginn der 2000er Jahre eingeführten spezifisch früh- beziehungsweise kindheitspädagogischen Studiengänge bereiten ebenfalls unmittelbar für eine Tätigkeit im Bereich der Frühen Bildung vor“, ergänzt die wissenschaftliche Referentin. Hier gibt es sowohl Voll- und Teilzeitbachelor- und Masterstudiengänge sowie duale Angebote, die Studium und Ausbildung oder Berufstätigkeit kombinieren. Beispiele sind Pädagogik der frühen Kindheit oder Bildung und Erziehung. „Personen mit Studienabschlüssen der Sozialpädagogik, der Sozialen Arbeit, Erziehungswissenschaft, Heilpädagogik oder Ähnliches können ebenso in dieses Arbeitsfeld einmünden“, erklärt sie.

 „Ein Studium erweitert zusätzlich noch einmal das Spektrum an Einsatzmöglichkeiten.“ erklärt Barbara Nolte. „Man kann in die Fachberatung gehen, also Erzieher beraten und schneller Leitungspositionen erreichen, wenn man das möchte. Mit einer entsprechenden Weiterbildung kann das eine Erzieherin übrigens auch.“ Sie hofft, dass Aussichten wie diese, mehr junge Männer dazu bewegen, das Arbeitsfeld für sich zu entdecken. Mit mittlerweile 7,1 Prozent ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes der Anteil an männlichen Erziehern zwar seit 2010 ums Doppelte gestiegen, aber immer noch viel zu niedrig. „Kinder brauchen Vorbilder und die sollten so vielfältig sein, wie es unsere Gesellschaft ist“, betont die Expertin.

Praktikum vorab bringt Klarheit

Allen, die in der frühkindlichen Bildung und Erziehung arbeiten möchten, empfiehlt sie, vorher ein Praktikum im Bereich zu machen. Die Belastungen seien nicht zu unterschätzen. „Es gibt jeden Tag Konflikte, schwierige Fälle gehen unter die Haut, der Fachkräftemangel erhöht das Arbeitspensum“, zählt sie auf. Auch ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bringt Klarheit. „Es hängt vom Träger ab, ob ein FSJ geht“, erklärt sie.

Sie selbst bereut ihre Berufswahl bei allem Stress übrigens ganz und gar nicht. „An jedem Tag gibt es einen Glücksmoment der einen für alles entschädigt: der erste Gehversuch, der erste Dreiwortsatz oder ein kindlicher Kommentar, der einen zum Lachen bringt. Einen Tag ohne Lachen gibt es in unserem Beruf nicht!“

Weitere Informationen

BERUFENET

Das Netzwerk für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.000 aktuellen Berufsbeschreibungen in Text und Bild (Suchwort: Frühkindlich, Bildung und Erziehung)

www.arbeitsagentur.de/berufenet

Berufsausbildung und mehr

In diesem Portal der Bundesagentur für Arbeit kannst du nach dualen und schulischen Ausbildungen sowie Weiterbildungen recherchieren.

www.arbeitsagentur.de/berufsausbildung

Ausbildungsplatzsuche

In der Jobsuche der Bundesagentur für Arbeit kannst du auch ganz gezielt nach Ausbildungsplätzen recherchieren. (Suchworte: Erzieher)

www.arbeitsagentur.de/ausbildungsplatzsuche

studienwahl.de

Portal der Stiftung für Hochschulzulassung und der Bundesagentur für Arbeit. Weiterführende Informationen zum Studienbereich Erziehungs-, Bildungswissenschaften liefert studienwahl.de.

www.studienwahl.de

Studiensuche

Die Studiensuche der Bundesagentur für Arbeit hilft dir bei der Auswahl von Studienort und Studienfach.
www.arbeitsagentur.de/studiensuche

Hochschulkompass

Auf dieser Seite der Hochschulrektorenkonferenz kannst du in der Datenbank nach Studiengängen suchen und nach Zulassung und Hochschultyp filtern. Außerdem gibt es eine Seite mit Links zu den Zulassungsbestimmungen der einzelnen Bundesländer.

www.hochschulkompass.de

Deutsches Jugendinstitut (DJI)

Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) des DJI mit Infos rund um Weiterbildungsmöglichkeiten im Arbeitsbereich – inklusive Studiengangsdatenbank. Ziel ist es, die Elementarpädagogik als Basis des Bildungssystems zu stärken.

WiFF

Frühe Bildung: Gleiche Chancen

Infoportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zu den Hintergründen des „Gute Kita-Gesetz“ mit einer Übersicht über Fachkrafte in Kitas, einem Blog, Newsletter und interessante Links.-

www.fruehe-chancen.de

Studie über Zukunfsfelder für Erzieherberufe

Verband Bildung und Erziehung (VBE)

www.vbe.de

Arbeitsmarktberichte

Beschäftigte, offenen Stellen, Arbeitslosenzahlen und mehr

BA-Arbeitsmarktbericht Kinderbetreuung

Fachserie des Statistisches Bundesamts

WiFF-Fachkräftebarometer: Frühe Bildung