Medizininformatiker (E-Health):
Das Unsichtbare sichtbar machen
„Bitte allen Schmuck ablegen!“ Diesen Satz dürften alle kennen, die schon mal geröntgt wurden. Auch bei der Computertomographie würden metallische Gegenstände stören, was bei Implantaten schwierig ist – ein Problem, dem sich Julian Hagen (26) widmet.
Welche Bilder bei der Computertomographie (CT) entstehen, je nachdem welche Objekte und Materialien von dem Gerät gescannt werden, ist eine wichtige Grundlage von Julian Hagens Arbeit. Das Team, dem er bei Siemens Healthineers in Forchheim angehört, sammelt auf diesem Wege die Daten für die Entwicklung einer E-Health-Software. Mit ihrer Hilfe sollen die Störungen auf CT-Bildern, die etwa von Zahnimplantaten, Metallschrauben oder Herzschrittmachern ausgehen, entfernt oder zumindest verringert werden. Um das Thema dreht sich auch die Industriepromotion des 26-Jährigen Medizintechnikers und Informatikers.
„Im ersten Schritt gilt es herauszufinden, wie die Strahlen mit dem Körper interagieren und zu verstehen, wie diese Artefakte entstehen“, erklärt Julian Hagen. „Im nächsten Schritt entwickeln wir ein Verfahren, um diese zu eliminieren oder zu verringern.“ Hierfür gehören der Arbeitsgruppe auch ein Physiker und ein Mathematiker an, unterstützt wird sie von Werkstudierenden.
Das Team arbeitet zunächst mit Modellen, sogenannten Phantomen, die mit dem Computertomographen gescannt werden. „Wir beginnen mit einem Phantom, das Wasser widerspiegelt, und in dieses wird dann ein Metall eingesetzt“, erklärt er die Methodik. „Komplexere Phantome simulieren Körperteile oder einen kompletten Menschen. Parallel wird auf klinische Daten, also echte CT-Aufnahmen zurückgegriffen, die dann ausgewertet werden.“ In Simulationen wird außerdem untersucht, wie Strahlen aufgebaut sind, wie sie mit dem Gewebe interagieren und wie das Bild am Ende aussieht.
Julian Hagen
Foto: privat
Die medizinischen Grundkenntnisse hat Julian Hagen in seinem Studium der Medizintechnik erworben. Anatomie, Physiologie und Biochemie standen an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen insgesamt drei Semester lang auf dem Lehrplan. Insgesamt ist das Studium der Medizintechnik – zumindest in Erlangen – stark auf Ingenieurswissenschaften ausgerichtet. Julian Hagen: „Mathe ist ein Schwerpunkt, ohne den es gar nicht geht, und Elektrotechnik ein weiterer.“ Zu Siemens Healthineers war er bereits während des Studiums gekommen: Insgesamt zwei Jahre lang arbeitete er als Werkstudent in der physikalischen Vorentwicklung. Seine Bachelorarbeit fertigte er zuvor am Fraunhofer Institut an. „Weil ich aber während des Studiums merkte, dass ich in der Informatik besser aufgehoben bin, und dieses Fach im Medizintechnik-Bachelor eher eine Nebenrolle spielt, habe ich dann einen Masterstudiengang in Informatik angeschlossen“, erklärt der (bald promovierte) Informatiker.
Über Siemens hat er auch ein knapp einjähriges Praktikum in der Mayo Klinik in Rochester, Minnesota (USA) absolviert und dieses mit zwei Masterarbeiten verbunden: „Weil der Mehraufwand überschaubar war und ich mir an der Uni viel anrechnen lassen konnte, habe ich den Master in Informatik und in Medizintechnik parallel absolviert.“ In der Mayo Klinik lernte Julian Hagen das Thema CT in der klinischen Anwendung kennen. Er unterstützte den Kollaborationsmanager, der zwischen Vorentwicklung und der Klinik kommuniziert, also Feedback zu Prototypen einsammelt und an die Vorentwicklung weitergibt. Außerdem fertigte er zwei klinische Studien an, erstellte CTs von Phantomen und führte klinische Auswertungen durch. Nach Abschluss des Studiums fing er direkt bei Siemens Healthineers an.
In seiner mittlerweile ein Jahr laufenden Promotion ist sein Team weit gekommen: Es hat das Problem so präzise wie möglich physikalisch beschrieben. Danach hat es ein Verfahren entwickelt, um die CT-Bilder trotz störender Metalle besser zu machen. Mithilfe der angestellten Überlegungen hat es einen Prototyp oder – um es in der Fachsprache zu sagen – einen Algorithmus entwickelt. Dieser befindet sich bereits in der klinischen Anwendung, erste Studien werden durchgeführt. Momentan wird das Feedback der Ärzt*innen und Kliniken eingeholt, dieses wird dann möglichst komplett umgesetzt. Die Fertigstellung des Prototypen ist eine Frage von einem bis zwei Monaten. „Alles, was danach kommt, zum Beispiel die hardwarenahe Implementierung des Algorithmus, ist dann Aufgabe anderer Abteilungen“, erklärt Julian Hagen.
Seine weitere Aufgabe als Doktorrand wird es dann sein, den Prototypen auf andere, zukünftige Geräte anzupassen und weiter zu optimieren. Und nach der Promotion? „Ich würde gerne, wenn ich auch nach meiner Promotion bei Siemens Healthineers bleiben kann, in die Grundlagenforschung gehen.“ Was den Bereich dieser Forschung betrifft, so ist Julian Hagen völlig offen: Er könnte sich beispielsweise das Thema Magnetresonanztomographie (MRT) vorstellen. „Man muss abwarten, welche Türen sich öffnen.“
E-Health bezeichnet die Vernetzung mittels Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen. Oder anders gesagt: das Zusammentreffen von Software und Medizin. Dazu gehören Videosprechstunden, Gesundheits-Apps, Wearables, wie etwa ein Diabetes-Tracker, aber auch Programme zur Dokumentation oder Organisation des Krankhausbetriebes. In der tieferen technischen Anwendung meint E-Health die Ansteuerung oder Unterstützung von medizinischen Geräten mittels Software – zum Beispiel Herzschrittmacher, bildgebende Verfahren oder chirurgische Roboter.
Absolventen eines Studiums im weit gefassten Bereich E-Health arbeiten zum Beispiel in der Entwicklung und Forschung bei Herstellern von Medizintechnik, in der Softwareentwicklung, sie kümmern sich um Krankenhausinformationssysteme, bildgebende Therapie- und Diagnoseverfahren, computerunterstützte Operationstechniken und Ähnliches in Krankenhäusern, Praxen und bei Krankenkassen.
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