Auslandskorrespondent:
Live vor Ort dabei sein
Mitbekommen, was in der Welt passiert, bei spannenden Ereignissen dabei sein, hören, was die Menschen darüber denken, verstehen, was sie bewegt – all das fasziniert Sebastian Schreiber seit seiner Kindheit. Seine Neugier auf die Welt und das Leben hat der 32-Jährige zu seinem Beruf gemacht. Er arbeitet als Hörfunkjournalist und berichtet von seiner Zeit als Auslandskorrespondent im ARD-Studio Washington.
„Dass sich mein Kindheitstraum vom Leben und Arbeiten im Ausland so früh erfüllen wird, war schon eine Überraschung“, sagt Sebastian Schreiber. Ein Jahr lang war er als Juniorkorrespondent für die ARD-Hörfunkanstalten in den USA, ist in Kultur und Leben dort eingetaucht, hat mit vielen Menschen gesprochen, versucht zu verstehen, wie die Amerikaner ticken, warum sie Donald Trump als Präsidenten vertrauten. „Da findet man keine einfache Antwort“, sagt er. „Die Einstellungen der Menschen sind vielfältig. Es war eine schwierige und gleichzeitig eine reizvolle Aufgabe, adäquat darüber zu berichten.“
Sebastian Schreiber
Foto: privat
Geholfen habe ihm, sich selbst über die Klischees im eigenen Kopf bewusst zu werden, herauszufiltern, was man als Vorstellung von Land und Leuten mitbringt und immer wieder abzugleichen mit dem, was man persönlich erlebt. „Unser Ziel ist, möglichst objektiv zu berichten. Menschen, Journalisten haben eine Meinung, die muss man immer reflektieren und austarieren, indem man bei jedem Thema Interviewpartner sucht, die ein möglichst breites Meinungsspektrum abdecken“, sagt der 32-Jährige, der im November 2018 zum Beispiel von den wichtigen Kongresswahlen berichtete.
Die politische Berichterstattung machte einen großen Teil seiner Arbeit aus. Washington gilt als Machtzentrum der westlichen Welt. Der Präsident im Weißen Haus, der Kongress mit Senat und Repräsentantenhaus im Kapitol, die Weltbank, Botschafterinnen und Botschafter aus aller Herren Ländern, Vertreterinnen und Vertreter internationaler Organisationen, Unterhändlerinnen und Unterhändler wichtiger Wirtschaftsverbände: hier trifft sich, wer am Rad der Geschichte mitdrehen will – immer unter dem wachsamen Auge der großen inländischen und ausländischen Medien.
In seiner Zeit in Washington war Sebastian Schreiber einer von sechs Hörfunk-Korrespondentinnen und Korrespondenten der ARD. Entsandt hat ihn bis Juni 2019 der Hessische Rundfunk (HR), er berichtete aber für alle öffentlich-rechtlichen Radiosender in Deutschland. „Die USA und Deutschland sind extrem eng miteinander verknüpft“, sagt er. „Das Interesse in Deutschland an US-Themen ist riesig. Die kulturelle und politische Verbundenheit ist mir hier erst so richtig klar geworden.“ Jeden Morgen um 7.30 Uhr konferierten er und das restliche Korrespondententeam per Telefon. Zusammen besprachen sie Beitragswünsche der ARD-Redaktionen zuhause und boten eigene Themen an. „Nachrichtenminute, Kommentare, halbstündige Reportage-Features, Interviews, da war alles dabei“, erinnert er sich.
Bei der Recherche und Gestaltung der Beiträge hatte er auch als Junior freie Hand, er verantwortete die Inhalte selbst. Allerdings: Bevor etwas live ging, galt, wie bei den anderen Kollegen auch, das Vieraugenprinzip. „Alles was wir machen, kommt in einen Pool, an dem sich die Kollegen in Deutschland für ihre Sendungen bedienen können“, berichtet er. Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen anderer in- und ausländischer Medien hatte er bei offiziellen Terminen. Man kennt und schätzt sich, behält ihre Berichterstattung im Auge, greift Themen auf.
Als Auslandskorrespondent berichtete Sebastian Schreiber nicht nur über die große Weltbühne der Politik. Die vielen kleinen, teils skurrilen, einmaligen Begegnungen mit Menschen und deren ungewöhnliche Geschichten außerhalb der Stadt haben ihn oft mehr fasziniert, sagt er: „In Washington lebt und arbeitet man in einer Politik -, Diplomaten- und Lobbyisten-Blase. Hier erfährt man wenig über das echte Leben. Dafür muss man raus aus der Stadt“, sagt er und erzählt, dass er sich auch privat die Zeit genommen hat, das Land wirklich kennenzulernen. „Einmal war ich in Virginia in einer Stadt namens Alexandria unterwegs. Das war um Halloween und da sind mir Hunde begegnet, die in gruseliger Verkleidung Leckereien eingesammelt haben, nicht die Kinder“, erinnert er sich. „Als Korrespondent schaltest du niemals ab, man schaut immer, was könnte interessant sein, was ist anders, was ist ungewöhnlich. Also habe ich mein Smartphone geschnappt und Töne gesammelt. Später zurück in Washington ist dann ein Beitrag draus geworden.“
Die Neugierde am Anderen, am Außergewöhnlichen, das Interesse an neuen Denkweisen, Kulturen und Systemen begleiten den 32-Jährigen schon lange. Schon als Kind saugte er Nachrichten aus der ganzen Welt auf, stellte Fragen im Urlaub, staunte über die Vielfalt des Lebens. Noch vor dem Abi begann er für die örtliche Zeitung Sportberichte zu schreiben und entschied sich nach der Schule, Publizistik und Politikwissenschaften in Mainz und später in Utrecht zu studieren. Sein Studium finanzierte er sich als freier Mitarbeiter beim SWR. Nach dem Bachelor folgte das Volontariat beim HR, im Anschluss knapp zwei Jahre als fester Freier in der Politik- und Nachrichtenredaktion von hr-iNFO in Frankfurt, schließlich die Chance als Junior nach Washington zu gehen. Seine Auslandserfahrung während des Studiums dürfte ihm geholfen haben. „Das hat mich ziemlich fit in Englisch gemacht.“
In seiner Zeit in Washington war Sebastian Schreiber festangestellt. Zurück in Deutschland arbeitete er wieder als fester Freier für hr-iNFO und im ARD-Börsenstudio in Frankfurt. „Das hätte ich auch nie gedacht, dass ich mal Wirtschafts- und Börsenjournalist werde“, sagt er lachend. „Ein anderes Themenfeld, wieder die Chance den Horizont zu erweitern.“ Für die Zukunft wünscht er sich immer mal wieder neue Herausforderungen, neue Ressorts und Rubriken. Ins Ausland würde er grundsätzlich gerne wieder gehen. „Wieder in die USA oder ein anderes Land, wenn der richtige Zeitpunkt kommt.“
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