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Gebärdensprachdolmetscherin: Brückenbauen mit Gebärdensprache

Anika Loidl (26) ist Gebärdensprachdolmetscherin. Ihr Beruf ermöglicht es ihr, in zahlreiche verschiedene Themen einzutauchen und Teil der Gebärdensprachen-Community zu sein.

Eine junge Frau steht bei einer Studienabschlusszeremonie auf der Bühne vor der Gruppe und übersetzt das Gesagte in Gebärdensprache.

Fröhlich und farbenfroh zog die Pride Parade am Christopher Street Day durch die Landshuter Innenstadt zur Mühleninsel inmitten der Isar. Dort auf großer Bühne fanden Podiumsdiskussionen und Vorträge statt und auch Bands traten auf – mittendrin: Anika Loidl. Die 26-jährige Gebärdensprachdolmetscherin übersetzte an diesem Tag gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen über mehrere Stunden: „Unser Beruf erfordert oft Teamarbeit, bei der wir uns gegenseitig unterstützen“, erklärt sie.

  • Die Gebärdensprache ermöglicht es mir, eine Verbindung zur gehörlosen Community aufzubauen und das ist etwas sehr Besonderes.

    Anika Loidl

Einsätze in allen Lebensbereichen

Ihre Einsätze sind vielfältig und betreffen jeden Lebensbereich, in dem gehörlose Menschen eine Übersetzung benötigen: auf dem Amt, in der Schule oder der Arztpraxis. „Jeder Einsatz ermöglicht es mir, in verschiedene Themen einzutauchen, was sehr spannend ist. Es ist aber wichtig zu wissen, wofür man qualifiziert ist.“

Ihre Schwerpunkte liegen im akademischen Bereich und in der sozialen Arbeit: „Ich habe meinen Bachelor an der Hochschule Landshut im Gebärdensprachdolmetschen abgeschlossen. In dem praxisorientierten Studium geht es um Sprache, Sprachkultur, Dolmetschen für Gehörlose und auch um berufsrelevante Themen wie etwa die Freiberuflichkeit. Nach meinem Abschluss bin ich direkt in den Beruf eingestiegen“, erzählt sie. Berufsbegleitend hat sie sich mit einem Masterstudium in sozialer Arbeit mit dem Schwerpunkt Diversität weiterspezialisiert. „Ich arbeite gerne im pädagogischen Bereich, in Beratungssituationen, im Arbeitsleben und auch bei politischen und kulturellen Veranstaltungen. Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen ich mich weniger wohlfühle, wie zum Beispiel in der IT“, räumt sie ein.

Fortbildungen sind in ihrem Beruf Pflicht: „Ich habe zum Beispiel eine Fortbildung für das Übersetzen bei Geburten und für die Begleitung von tauben Menschen mit psychischen Erkrankungen absolviert.“

Akribische Vor- und Nachbereitung

Auf ihre Einsätze bereitet sie sich akribisch vor: „Ich bitte etwa Vortragende vorab um Präsentationen oder Skripte. Normalerweise funktioniert das reibungslos“, sagt sie. Um Inhalte besser zu verstehen und transportieren zu können, versucht sie sich stets auf dem Laufenden zu halten, von der Tagespolitik bis zur Gesetzgebung. Auch die Nachbereitung ist ein wichtiger Teil ihrer Arbeit. Oftmals gerät sie in emotional herausfordernde Situationen, sei es bei Jugendämtern, in der Schuldnerberatung, bei der Eheberatung oder bei der Übermittlung von schwerwiegenden Diagnosen: „Wir nehmen an Supervisionsgruppen und kollegialen Beratungen teil, was ebenfalls ein Teil unserer Ausbildung ist“, erklärt die 26-Jährige.

Der Bedarf an Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern ist hoch, wobei die meisten freiberuflich tätig sind. Anika Loidl fährt zweigleisig, arbeitet sowohl an der Hochschule Landshut als auch freiberuflich. Um Aufträge zu erhalten, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Beispielsweise vergibt eine zentralisierte Vermittlungsstelle, aufgeteilt nach Regierungsbezirken, Aufträge an Anika Loidl. Ihr Radius reicht von München bis Niederbayern. Mittlerweile hat sie aber auch einen Stammkundenkreis und bekommt viele Aufträge direkt. Abrechnen kann sie ihre Arbeitseinsätze zu festen Stundensätzen, sowohl für die Fahr- als auch für die Übersetzungszeit.

Interesse an der Gebärdensprache hatte sie schon als Jugendliche: „Wir hatten in unserer Verwandtschaft Gehörlose. Das Thema hat mich daher nie losgelassen. In München habe ich nach dem Abitur einen Intensivkurs in Gebärdensprache besucht und gemerkt, das ist es.“ Für sie ist ihr Beruf nicht nur eine reine Dienstleistung: „Ich trage eine sehr hohe Verantwortung für die Menschen.“ Das Schöne an ihrem Beruf: „Die Gebärdensprache ermöglicht es mir, eine Verbindung zur gehörlosen Community aufzubauen und das ist etwas sehr Besonderes.“

Weitere Informationen

BERUFENET

Das Onlinelexikon für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.000 aktuellen Berufsbeschreibungen in Text und Bild (Suchwort: Gebärdensprachdolmetscher/in)

berufenet.arbeitsagentur.de

studienwahl.de

Infoportal der Bundesagentur für Arbeit und der Stiftung für Hochschulzulassung.

studienwahl.de

BERUFE.TV

Das Filmportal der Bundesagentur für Arbeit listet 350 Filme über Ausbildungsberufe und Studiengänge.

www.berufe.tv

Jobsuche der Bundesagentur für Arbeit

www.arbeitsagentur.de/jobsuche/

Bundesverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Deutschlands e.V. (bgsd)

bgsd.de/de/

Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.

gehoerlosen-bund.de/

Deutsche Gesellschaft der Hörbehinderten – Selbsthilfe und Fachverbände e.V.

www.deutsche-gesellschaft.de/

Informationsseiten zum Thema Gebärdensprachdolmetschen

www.dgsd.de/index.html