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Interview: Krise, Krieg, Corona: Hilfe ist gefragter denn je

Barbara Lubisch, Psychologische Psychotherapeutin und stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung, erklärt, wie sich die Herausforderungen für Psychologinnen und Psychologen verändert haben und welche Forschungsthemen die Berufsgruppe beschäftigt.

Eine Person zeigt auf etwas auf einem Klemmbrett, während eine zweite Person danebensteht.

abi» Frau Lubisch, vor welchen Herausforderungen steht die Berufsgruppe – unter anderem durch die Pandemie?

Barbara Lubisch: Psychische Erkrankungen werden häufiger erkannt und die Bereitschaft eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten aufzusuchen nimmt zu. Zur Bewältigung der gestiegenen Anfragen werden weitere Behandlungskapazitäten und entsprechende Finanzmittel benötigt. Die Einschränkungen der Bewegungs- und Kontaktmöglichkeiten, Homeoffice und Schulschließungen sowie die stetige Infektionsgefahr hat das Wohlbefinden der Menschen zusätzlich beeinträchtigt. Hinzu kommen die Klimakrise und der Ukraine-Krieg. Auch sie führen zu einer Zunahme psychischer Erkrankungen. Psychotherapeutinnen und -therapeuten sind gefragt, mit neuen Konzepten an niedrigschwelligen Gruppenangeboten, aufsuchender Hilfe und komplexen Behandlungsgeboten auch präventiv zu helfen. Sie richten sich mit Videositzungen und digitalen Versorgungsangeboten auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Patientinnen und Patienten ein. Der Schutz der Privatsphäre und der Daten hat oberste Priorität.

abi» Häufig ist von mangelnden Therapieplätzen die Rede: Wer aber eine Tätigkeit als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut anstrebt, muss einen entsprechenden Masterstudiengang belegen. Die Plätze sind hier stark limitiert und es ist meist ein sehr guter Bachelorabschluss nötig, um an einen Masterplatz zu kommen. Wie sehen Sie diese Situation? Was raten Sie Studierenden, die keinen Platz bekommen?

Barbara Lubisch: Ein Mangel an Therapieplätzen bedeutet leider nicht direkt gute Berufsaussichten für Therapeutinnen und Therapeuten, denn die Zahl der von Krankenkassen finanzierten Klinikstellen beziehungsweise Praxissitze ist begrenzt. Wir kritisieren das erneute Bewerbungsverfahren um einen Studienplatz nach dem Bachelor. Wer das Studium beginnt, sollte es auch an derselben Uni abschließen können, zumal im Bereich Psychologie kaum berufliche Möglichkeiten mit Bachelorabschluss bestehen. Da das polyvalente Bachelorstudium unterschiedliche Masterstudiengänge ermöglicht, sollten Studierende prüfen, ob für sie auch andere Masterstudiengänge infrage kommen, die gute Arbeitsmöglichkeiten bieten, etwa im Bereich Pädagogische Psychologie oder Arbeits- und Betriebspsychologie.

abi» Stichwort Forschung: Gibt es hier „Trendthemen“ oder große Themen in der Psychologie, die besonders aktuell sind?

Barbara Lubisch: Die Forschungsthemen in der Psychologie sind sehr vielfältig. Als ‚Trendthema‘ der Klinischen Psychologie kann die Erforschung Internet- und App-basierter Interventionen angesehen werden. Große Aufmerksamkeit gilt auch der evidenzbasierten personalisierten Psychotherapie oder verschiedenen Fragen in der Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen, zum Beispiel der Bedeutung des Einbezugs der Eltern in die Behandlung. Weitere psychologische Fragestellungen sind beispielsweise die Entwicklung der Persönlichkeit über die ganze Lebensspanne bis zum hohen Alter oder Forschung zum Zusammenhang von Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung.

Über Barbara Lubisch

Porträt von Barbara L. Porträt von Barbara L.

Barbara Lubisch ist psychologische Psychotherapeutin und stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung.