Arbeiten in Österreich:
Wien als das Gegenteil von Berlin
Vor drei Jahren zog Pauline (33) von Berlin nach Wien. Dort hat sich die Politikwissenschaftlerin beruflich neu orientiert: Sie hat eine Ausbildung zur Psychotherapeutin begonnen.
Und plötzlich war da die Sehnsucht nach etwas Neuem. Pauline wollte weg aus Deutschland, weg aus Berlin, wo sie ihr bisheriges Leben verbracht hatte. „Verstehen konnte das in meinem Umfeld anfangs nur meine Mutter“, erinnert sich die heute 33-Jährige. „Sie hat mich als einzige darin bestärkt, weil sie fand, dass ein Umzug in ein anderes Land eine Bereicherung für meine Persönlichkeit sein würde.“
Pauline wollte weg, aber auch nicht zu weit. Sie wollte die Sprache verstehen und schnell wieder in Deutschland sein, wenn es sein musste. Da sie sich zudem schon immer für Kunst und Theater interessierte, wollte sie weiterhin von einem breiten kulturellen Angebot profitieren.
Ihre Wahl fiel auf Österreich. 2018 kündigte sie ihre Stelle in einem Medienunternehmen in ihrer Heimatstadt und zog nach Wien. „Die Stadt ist eigentlich das genaue Gegenteil von Berlin – und gerade darum fand ich sie perfekt. Die Größe ist überschaubar, alles ist schnell mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, man ist schnell draußen in der Natur, am Wasser, in den Weinbergen oder in den Bergen und die Menschen sind freundlich und rücksichtsvoll.“
In Wien startete sie als freiberufliche Kommunikationsberaterin, doch mit dem Umzug war auch die Idee gewachsen, sich beruflich neu zu orientieren. Pauline erinnerte sich wieder an ihren alten Traum, als Psychotherapeutin zu arbeiten und erfuhr, dass in Österreich die Möglichkeit besteht, die Ausbildung in diesem Bereich berufsbegleitend zu absolvieren – ohne zuvor Psychologie studiert zu haben.
Seit eineinhalb Jahren pendelt sie nun zwischen ihrem Job als Kommunikatikonsberaterin und der Ausbildung. Aktuell absolviert sie ein Praktikum in einer großen Einrichtung der Caritas. Dreimal pro Woche betreut sie dort wohnungslose Menschen, spricht mit ihnen über ihre Probleme, verteilt warmes Essen und saubere Kleidung. Aufgrund von Corona natürlich mit Maske und Abstand und unter strenger Einhaltung der Hygienemaßnahmen: „Da sind die Österreicher wirklich vorbildlich.“
Die Arbeit macht ihr großen Spaß. „Die Zusammenarbeit mit den Kollegen läuft super, die Hierarchien im Sozialbereich, in dem ich tätig bin, sind flach. Ich wurde sehr gut aufgenommen – auch wenn ich wegen meines Hochdeutschs natürlich überall und jederzeit als Deutsche zu erkennen bin.“ Geschadet hat ihr das bisher nicht, Vorurteile oder Ausgrenzung habe sie nie erlebt. „Wenn man offen ist, wird man ebenso empfangen“, sagt sie. Mittlerweile hat Pauline sogar selbst einen österreichischen Slang – das sagen zumindest ihre Berliner Freunde. Und bestimmte Begriffe und Redewendungen gehen ihr leicht von den Lippen. „Tüten sind für mich Sackerl und Brötchen Weckerl.“
Auch im Privatleben ist Pauline angekommen. Sie hat einen österreichischen Partner und viele österreichische Freundinnen und Freunde. „Die Wiener sind ein freundliches Volk, das es sich gerne gut gehen lässt und das Leben genießt“, erzählt sie. „Gleich am Anfang habe ich über soziale Netzwerke Kontakt zu Einheimischen geknüpft und mir von ihnen die Stadt zeigen lassen.“
In Berlin wird man noch lange auf Pauline warten müssen. Sie kann sich gut vorstellen, nach dem Ende ihrer Ausbildung eine Praxis in Österreich aufzumachen. Und wenn sie doch mal Sehnsucht nach ihrer alten Heimat bekommt, trifft sie sich einfach mit ihren Berliner Freundinnen und Freunden. Zwei von ihnen sind vor ein paar Monaten ebenfalls nach Wien gezogen – Paulines begeisterten Erzählungen sei Dank.
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