Wie viel hat mein Beruf mit meinem Studium zu tun?:
Soft Skills als Erfolgsfaktor
Die Wege vom Studium zum Beruf sind nicht immer eindeutig und geradlinig – für Juristinnen/Juristen und Ärztinnen/Ärzte eher als für Germanistinnen/Germanisten oder Sozialwissenschaftler/innen. Deshalb geht abi>> der Frage nach: Wie viel hat mein Beruf mit meinem Studium zu tun?
Jeder kennt sie, die Witze: Dass Germanistinnen und Germanisten ja später doch nur Taxi fahren, oder der Berufswunsch „was mit Medien“ in eine Praktika-Dauerschleife führt. Klar, wer Ärztin oder Arzt werden will, studiert Medizin. Eine Richterin oder ein Richter braucht ein Jurastudium. Aber nicht jedes Studium bereitet auf einen konkreten Beruf vor. Und in viele Berufe führen viele Wege. Wie weichenstellend ist also die Entscheidung für ein bestimmtes Studium – und worauf kommt es dabei an?
Was man mit einem Philosophiestudium später werden kann? Berufsberater/in zum Beispiel – wie Rolf Lachmann von der Agentur für Arbeit in Köln. Er hatte sich nach einer Berufsausbildung für das Studium entschieden. „Mir war klar: Wenn ich meinen Beruf schon aufgebe, dann nur für etwas, was mich wirklich interessiert. Da war ich kompromisslos.“ Also studierte er Philosophie, schlug zunächst eine akademische Karriere ein, bevor er sich mit 40 Jahren neu orientierte. „Die Stellenanzeige der Arbeitsagentur lief mir zufällig über den Weg“, erzählt er. „Wie es eben doch häufig passiert im Leben.“ Seitdem hilft er jungen Menschen dabei, ihren Weg zu finden – und ihn ohne Scheuklappen zu gehen. „Sie sollten immer ihre Augen und Ohren offen halten für Chancen und Entwicklungen. Es gibt so viele Wege ins Berufsleben.“
Das zu studieren, was einen wirklich interessiert, sei auf jeden Fall ein guter Start. „Und zwar möglichst unabhängig davon, was der Arbeitsmarkt gerade sagt“, ergänzt Petra Reinert, Berufsberaterin in Karlsruhe. Sie und Rolf Lachmann sind überzeugt: Wenn man ein Fach mit Begeisterung studiert, ist es viel einfacher, sich Wissen anzueignen. Und wer gerne studiert, bringt sich oft mehr ein: engagiert sich in der Fachschaft, organisiert Projekte, bereitet Konferenzen vor. Gerade bei diesen Tätigkeiten werden Talente entdeckt und die Persönlichkeit weiterentwickelt. „Und diese Aspekte werden Arbeitgebern immer wichtiger“, sagt Rolf Lachmann.
„Auch wenn Studien- und Berufsfeld zusammengehören, können Studierende nur etwa 20 bis 30 Prozent von ihrem erworbenen Wissen später im Beruf anwenden“, erklärt Petra Reinert. „Es geht vor allem darum, Soft Skills zu erwerben und auszubauen: Selbstorganisation und Eigenverantwortung, Problemlösefähigkeit und Kreativität.“ Wer studiert, lernt eigenständig zu lernen – eine zentrale Schlüsselqualifikation. „Wissen veraltet heute enorm schnell“, ergänzt Rolf Lachmann. Wichtiger sei deshalb ein Interesse daran, sich neues Wissen anzueignen, und die Bereitschaft, sich das ganze Berufsleben über weiterzubilden.
Das ist gerade für Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine gute Nachricht. Denn es ist doch eher selten, dass sie ihre Studieninhalte später direkt im Berufsleben anwenden können. Dennoch sind sie nicht weniger erfolgreich als Absolventinnen und Absolventen anderer Studiengänge – aber es „holpert“ zu Beginn unter Umständen mehr, wie es Rolf Lachmann formuliert. „Es dauert meist etwas länger, bis sie im Berufsleben richtig Fuß fassen.“
Wollen Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ihrem Fach treu bleiben, können sie das im Wissenschaftsbetrieb besser als in der freien Wirtschaft. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat es in einer Studie so ausgedrückt: „Jeweils etwa die Hälfte der Geisteswissenschaftler arbeitet in Berufen und Branchen, für die ein Zusammenhang mit den Inhalten eines geisteswissenschaftlichen Studiums nicht ohne weiteres erkennbar ist. Offensichtlich sind viele Geisteswissenschaftler in der Lage, sich in fachfremde Gebiete einzuarbeiten.“ Diese Offenheit Neuem gegenüber, vernetztes Denken, Kreativität und Originalität sowie gute Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten sind Stärken, die Arbeitgeber zu schätzen wissen.
Und so zählt das, was abseits des Studiums passiert: Wer eine Zeitlang im Ausland studiert, Praktika absolviert, sich sozial engagiert oder sein Studium mit einem Nebenjob finanziert, erwirbt Fähigkeiten und bildet ein Profil, das für Personalverantwortliche oft interessanter ist als Abschlussnoten. Hochschulen haben darauf reagiert: In Zentren für Schlüsselqualifikationen können Studierende berufsrelevante Kompetenzen sammeln. Jobmessen oder die Beraterinnen und Berater der Agenturen für Arbeit können während des Studiums dabei helfen, über den Tellerrand zu schauen. „Viele Studierende unterschätzen, welche beruflichen Möglichkeiten sie haben. Auch wer Lehramt studiert hat mehr Möglichkeiten, als Lehrerin oder Lehrer zu werden“, sagt Petra Reinert.
Arbeitgeber erwarten gar nicht, dass Absolventinnen und Absolventen bereits alles Wissen mitbringen, um auf der neuen Stelle sofort durchzustarten. Viele Unternehmen bieten Berufseinstiegsprogramme (z.B. ein Volontariat oder Traineeprogramm) an – eine Art Übergangsphase in das Arbeitsleben. Und dabei zählt vor allem: echtes Interesse und Engagement.
BERUFENET
Im Portal der Bundesagentur für Arbeit findest du ausführliche Informationen über alle möglichen Berufe. Du kannst über bestimmte Berufsfelder, aber auch über Tätigkeits- oder Studienfelder einsteigen.
www.arbeitsagentur.de/berufenet
studienwahl.de
Der Studienführer ist ein Angebot von hochschulstart.de und der BA. Hier findest du alles zu den Themen Studienorientierung, Studienfelder und Hochschultypen. Hier kannst du dich über alle Studienmöglichkeiten in Deutschland informieren.
www.studienwahl.de
Zentren für Schlüsselqualifikationen
Das Zentrum für Schlüsselqualifikationen der Universität Freiburg – vergleichbare Zentren gibt es mittlerweile aber an fast allen Hochschulen in Deutschland.
www.zfs.uni-freiburg.de/de/zentrum-fuer-schluesselqualifikationen
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