Als Rico Sander (24) sich in Pandemiezeiten in einem virtuellen Studium wiederfand, wurde ihm zunehmend bewusst, dass er das abstrakte Wissen gegen die handfeste Wirklichkeit eintauschen möchte. So entschied er sich für eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel im Supermarkt Bio Company in Dresden.
„Am besten gefällt mir, dass ich mit und für Menschen arbeite. Es überrascht mich immer wieder, wie unterschiedlich die Kunden sind, die im Bioladen einkaufen“, berichtet Rico Sander, der sehr gerne kommuniziert und sich oft mit Kundinnen und Kunden unterhält.
Da wir eine relativ kleine Filiale sind, werde ich bei Urlaub oder Krankheit dort eingesetzt, wo jemand fehlt. Aber ich habe trotzdem einen intensiven Einblick in alle Prozesse der Abteilungen.
Rico Sander
Routinen in jeder Abteilung
Im wöchentlichen Wechsel kommt Rico Sander zur Frühschicht von 6 bis 14 Uhr oder zur Spätschicht von 13.15 bis 21.30 Uhr. Er durchläuft in seiner Ausbildung die Abteilungen Obst und Gemüse, Back und Bistro, Käse und Molkerei sowie die Kasse. Jede davon hat eine eigene Routine. So müssen beispielsweise in der Abteilung Obst und Gemüse morgens die gekühlten Lebensmittel aus dem Lager geholt werden, Angebote eingerichtet und Bestellungen erstellt werden. Auch an der Kasse kommt Rico Sander zum Einsatz.
„Da wir eine relativ kleine Filiale sind, werde ich bei Urlaub oder Krankheit dort eingesetzt, wo jemand fehlt. Aber ich habe trotzdem einen intensiven Einblick in alle Prozesse der Abteilungen“, erzählt der Auszubildende. Beim Verkauf versucht er stets, Blickkontakt zu halten und dafür zu sorgen, dass die Kundschaft sich wohlfühlt. „Ich merke, ein Lächeln bedeutet den Menschen etwas. Das freut mich dann wiederum selbst“, sagt er.
Raus aus dem Gefühl des Nichtstuns
Nach dem Abitur begann Rico Sander als Bundesfreiwilliger in einer soziokulturellen Einrichtung. Familiäre Gründe zwangen ihn jedoch, den Dienst abzubrechen und umzuziehen. Im Wintersemester 2019/20 startete er ein Studium der Soziologie. Ein Semester konnte er noch in Präsenz studieren, dann kam der erste Lockdown. Es folgte fast ein Jahr virtuelles Studium, bis Rico Sander sich für einen Cut entschied: „Ich wollte raus aus diesem beklemmenden Gefühl des Nichtstuns und etwas machen, bei dem ich mich gebraucht fühle.“
Seine Einkaufserlebnisse im Lockdown brachten ihn auf die Idee, im Einzelhandel zu arbeiten. „Ich habe einfach gesehen, dass Menschen, die in Pandemiezeiten im Supermarkt arbeiten, Unterstützung gebrauchen können. Und weil ich vegetarisch lebe und auch sonst darauf achte, meinen ökologischen Fußabdruck zu minimieren, lag es für mich nahe, mich zuerst bei der Bio Company zu bewerben.“
Der junge Mann erhielt sofort eine Zusage und konnte im Vorfeld seiner Ausbildung im September 2021 zwei Monate als studentische Aushilfe in der Dresdner Filiale arbeiten.
Ausbildungsverkürzung dank Abitur
Weil er Abitur hat, stieg Rico Sander direkt in das zweite Ausbildungsjahr ein. Ein Jahr lang besucht er zweimal in der Woche die Berufsschule. Der Unterricht gliedert sich auf in handelsspezifische Fächer wie Waren beschaffen, annehmen, lagern und pflegen, Geschäftsprozesse erfassen und kontrollieren. Hinzu kommen allgemeine Fächer wie Gemeinschaftskunde, Ethik, Deutsch, Englisch und Sport. Im dritten – dem eigentlichen zweiten – Ausbildungsjahr wird Rico Sander nur noch montags in der Berufsschule sein.
Was er sich in der Schule aneignet, setzt er täglich im Laden um. Was ihm außerdem wichtig ist: „Meine Kolleginnen und Kollegen fördern und fordern mich, wo es geht.“
Qualifizierung: Ja, klar!
Verkauf, Beratung, Bestellungen tätigen und andere Aufgaben sind ihm mittlerweile vertraut und gehen leicht von der Hand: „Am Anfang hatte ich Skrupel, aber mit der Routine kommt die Sicherheit und Selbstverständlichkeit.“ Und nach der Ausbildung? „Ich kann mir gut vorstellen, berufsbegleitend den Handelsfachwirt zu machen, um mich weiterzuentwickeln und vielleicht einmal eine Führungsposition einzunehmen“, sagt Rico Sander.
