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Tischler/in auf der Walz: Auf Reisen mit seinem Handwerk

Eva (27) stammt aus einem kleinen Weiler in der Nähe von Aalen in Baden-Württemberg und ist seit dem Frühjahr 2019 als freireisende Tischlerin auf der Walz.

Blick auf die Hände einer Frau, die ein Holzbrett mit einer Kreissäge zuschneidet.

Die Walz hat eine lange Tradition. Im Mittelalter gingen junge männliche Handwerker auf Wanderschaft, um ihr Handwerk in all seinen Facetten zu erlernen und die Voraussetzung zu schaffen, später einen Meistertitel zu erwerben. Dass Frauen auf die Walz gehen, wurde erst in den 1980er Jahren üblich. Die heutigen Gesell*innen können sich entweder einer von sechs Handwerkervereinigungen (Schächte) anschließen oder als Freireisende, ohne eine solche Mitgliedschaft, auf Wanderschaft gehen. Von den sechs Schächten erlauben derzeit nur zwei die Erwanderung von Frauen.

Sommerbaustelle zum Kontaktknüpfen

Ein Porträt-Foto von Eva, einer fremden freireisenden Tischlerin Ein Porträt-Foto von Eva, einer fremden freireisenden Tischlerin

Eva auf der Walz

„Ich mache immer wieder gerne was Neues und die Wanderschaft hatte ich schon länger im Kopf“, erzählt Eva. Im Sommer 2018 besuchte sie ein Wandergesellentreffen in Halle an der Saale: „ Einmal im Jahr treffen sich circa 60 bis 100 Wandergesellen und Interessierte auf einer sogenannten Sommerbaustelle und arbeiten an einem gemeinnützigen Projekt. Das ist eine sehr gute Gelegenheit, um sich über die Wanderschaft zu informieren und Kontakte zu knüpfen.“ Für die junge Frau, die zu diesem Zeitpunkt bereits eine Tischlerlehre in Berlin abgeschlossen hatte und in einer Massivholz-Tischlerei arbeitete, fiel die Entscheidung, selbst auf die Walz zu gehen.

Auch fand sie auf dieser Veranstaltung ihren Exportgesellen. „Jeder, der auf Wanderschaft geht, braucht einen Altgesellen, der selbst schon mindestens ein Jahr unterwegs sein sollte“, erklärt die Tischlerin. Dieser begleitet den*die neue Gesell*in und führt sie in das Leben auf der Walz ein. „Er gibt zum Beispiel Tipps, wie man reist oder wie man Arbeit findet.“ Ihr Exportgeselle hat mit Eva auch die sogenannte „Losgehfeier“ mit dem Abschied von Freund*innen und Familie organisiert. Dafür holte er sie zusammen mit anderen Wandergesell*innen von Zuhause ab. Die Regeln für die Walz besagen, dass man sich drei Jahre und einen Tag seinem Heimatort nicht weniger als 50 Kilometer nähern darf. „Das mit dieser Bannmeile ist aber gar nicht so schlimm, wie es vielleicht klingt“, findet Eva. „Es gehört dazu und ich habe mich bewusst dafür entschieden. Mit meiner Familie kann ich mich überall treffen, nur eben nicht zu Hause.“ Außerdem leben viele ihrer Freund*innen inzwischen weit verstreut, was ihr verschiedene Anlaufstellen während der Walz schaffe.

Arbeiten und reisen

Bald wird Eva selbst eine junge Holzbilderhauerin auf die Walz bringen: „Gerade bereite ich das Wanderbuch für sie vor. Es ist das wichtigste Dokument, das wir dabei haben. Darin sammeln wir die Stempel der Gemeinden, in denen wir waren sowie unsere Arbeitszeugnisse.“

In ihrem eigenen Wanderbuch sind inzwischen etliche Stationen vermerkt: Sie war unter anderem an der Ost- und Nordsee, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, in Dänemark, Frankreich, Italien und in der Schweiz. „Man arbeitet um zu reisen und reist um zu arbeiten. Mal ist man nur ein paar Tage bei einem Arbeitgeber und dann auch mal ein paar Wochen. Ich habe schon Familien beim Hausausbau geholfen und über den Winter war ich längere Zeit bei einem Orgelbauer. Auch mit der Unterkunft ist es ganz unterschiedlich, mal stellt der Arbeitgeber was zur Verfügung, mal kommt man in einer WG unter.“ Bezahlt werden die Wandergesellen in der Regel zum ortsüblichen Tariflohn. „Manche arbeiten auch selbstständig und stellen Rechnungen für ihre Arbeitsleistung“, erzählt Eva.

Auf andere Menschen zugehen

Das Besondere an der Walz ist für die Tischlerin, dass sie auf Menschen zugehen muss, wenn sie etwas braucht. „Einfach googeln ist nicht, denn wir reisen ja ohne Smartphone oder Tablet. Das fällt mal leichter und an einem schlechten Tag eben auch mal schwerer.“ So erinnert sie sich, dass die frühe Dunkelheit im Herbst und Winter manchmal überraschen kann. „Meistens weiß ich eben noch nicht, wo ich abends schlafen werde und ob ich Arbeit finde. Aber so hat mich die Walz auch Geduld und Vertrauen darauf gelehrt, dass noch was Gutes passiert. An einen Abbruch habe ich bislang nie gedacht.“

Deshalb empfiehlt sie auch anderen jungen Handwerksgesell*innen auf die Walz zu gehen. „Man muss dazu nicht aus vermeintlich typischen Walzberufen wie Schreiner oder Maurer stammen. Alle handwerklichen Gewerke können auf die Walz gehen, auch Bäcker, Köche, Buchbinder, Friseure, Goldschmiede oder Zweiradmechaniker“, bekräftigt sie.

Weitere Informationen

Rolandschacht

rolandschacht.org

Förderverein der Europäischen Gesellenzünfte Deutschland

cceg.eu