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Orientieren vor dem Studium: Erst ausprobieren, dann durchstarten

Sind die Studieninhalte so spannend, wie ich sie mir ausgemalt habe? Habe ich vielleicht einen Studiengang übersehen, der viel besser zu mir passt? Komme ich mit den fachlichen Anforderungen zurecht? Ein Orientierungsstudium erleichtert den Studienstart und kann helfen, diese und weitere Fragen zu beantworten.

Zwei junge Frauen und ein junger Mann sitzen an einer Bank unter einem Baum und lernen gemeinsam.

Schon während der Schulzeit interessierte sich Stephanie Globig besonders für Stadtplanung und Architektur. „Ich war mir aber nicht sicher, ob ich wirklich etwas in dieser Richtung studieren wollte“, berichtet die 21-Jährige. „Außerdem fühlte ich mich mit 17 Jahren direkt nach dem Abi noch nicht reif für ein Studium.“

Ein Porträt-Foto von Stephanie Globig. Ein Porträt-Foto von Stephanie Globig.

Stephanie Globig

Deshalb entschied sie sich für das zweisemestrige Orientierungsstudium „College+“, das die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg anbietet. Im ersten Semester konnte sie sich einen Überblick über das gesamte Studienangebot der Hochschule verschaffen. „Alle Studiengänge von Architektur bis Wirtschaftsmathematik haben sich vorgestellt. Außerdem habe ich Vorlesungen und Seminare zu Schlüsselkompetenzen wie Zeitmanagement und Kernfächern wie Mathematik und Englisch belegt“, erzählt sie.

Dabei hat die Abiturientin schnell gemerkt, dass der Bachelorstudiengang „Städtebau und Stadtplanung“ alle ihre Interessen vereint. „Mitte des zweiten Orientierungssemesters war ich mir sicher, dass das der richtige Studiengang für mich ist“, sagt Stephanie Globig.

Die Module, die sie während des Orientierungsstudiums belegte, konnte sie sich für ihr jetziges Studium anrechnen lassen. „Das ist aber kein Muss, es besteht also kein Leistungsdruck“, betont sie. Doch ein Orientierungsstudium ist nicht nur dazu da, den richtigen Studiengang für sich zu finden. Es hilft darüber hinaus dabei, sich auf dem Campus zurechtzufinden und erste Kontakte zu Mitstudierenden und Dozierenden zu knüpfen. „Eine neue, wichtige Erfahrung abseits des Studiums war für mich, im Studentenwohnheim zu wohnen“, erzählt sie.

Ein sanfter Einstieg

Ein Porträt-Foto von Dr. Jonas Neubert. Ein Porträt-Foto von Dr. Jonas Neubert.

Dr. Jonas Neubert

Dr. Jonas Neubert, Leiter der Zentralen Studienberatung an der BTU Cottbus-Senftenberg, hält ein Orientierungsstudium für eine gute Möglichkeit, durch konkretes Austesten verschiedener Studiengänge eine gelungene Studienentscheidung zu treffen. „Grundsätzlich eignet sich ein Orientierungsstudium für alle Studieninteressierten, die sich noch nicht für einen spezifischen Studiengang entscheiden können oder möchten. Zum Beispiel, weil noch Unsicherheit über die eigenen Fähigkeiten und Interessen besteht oder auch, weil man zwischen konkreten Optionen schwankt“, sagt der Diplom-Psychologe.

Auch im Hinblick aufs Studieren allgemein und das Studierendenleben kann ein Orientierungsstudium einen „sanfteren“ Einstieg bieten. „Meist ist der Start ins Studium mit einer großen Menge neuer Anforderungen und Unsicherheiten verbunden. Zum Beispiel müssen Studienanfänger herausfinden, wie sie mit der neuen Freiheit in der Arbeits- und Zeitgestaltung umgehen, ihren eigenen Stundenplan zusammenstellen oder – ganz generell – wie sie in einer neuen Stadt und Umgebung zurechtkommen“, sagt Jonas Neubert.

Die Befürchtung, durch ein Orientierungsstudium gehe Zeit auf dem Weg in den Beruf verloren, hält der Experte für unbegründet. „Es kommt natürlich darauf an, wie man die Zeit nutzt. In der Studienberatung bekomme ich den Eindruck, dass es den allermeisten Studierenden im Orientierungsstudium sehr wohl gelingt, große Schritte in Richtung einer soliden Entscheidung zu gehen.“

Ebenso eignet sich das „Studium generale“ dazu, Universitätsluft zu schnuppern. Viele Hochschulen bieten hierunter eine Reihe regulärer Lehrveranstaltungen öffentlich an. Gedacht ist das Angebot nicht nur für Studierende, die einen Blick über den Tellerrand des eigenen Studienfachs werfen möchten, sondern auch für Externe. „Hier erhalte ich Einblicke in die tatsächlichen Inhalte eines Studiengangs. Das kann für die Studienentscheidung sehr hilfreich sein“, sagt Jonas Neubert. „Ob Orientierungsstudium oder ‚Studium generale‘ – in jedem Fall sollte ich Kurse wählen, die mich inhaltlich ansprechen. Die vielen Möglichkeiten sind ja gerade das Tolle an der Hochschule.“

Das eigene Niveau besser einschätzen

Über 21.000 Studiengänge gibt es in Deutschland (Quelle: Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz, Stand: Anfang 2022). Kein Wunder, dass die Wahl eines Studienfachs bei solch einem großen Angebot nicht jedem leichtfällt. „Eine gut überlegte Entscheidung ist aber wichtig, denn je intensiver ich mich im Vorfeld mit meinen eigenen Interessen und Fähigkeiten auseinandersetze, umso eher beuge ich einem Studienabbruch vor“, sagt Alexander Seemann, Berufsberater bei der Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder).

Deshalb bieten immer mehr Hochschulen ein Orientierungsstudium an. (siehe auch die Übersicht „Probieren geht über studieren“) Die Teilnahme hält der Berufsberater dann für sinnvoll, wenn man bereits eine grobe Vorstellung davon hat, welche Studienrichtungen infrage kommen. „Manche Programme legen zum Beispiel einen Fokus auf Naturwissenschaften und Technik, andere auf Geistes- und Kulturwissenschaften. Deshalb sollte man sich die einzelnen Angebote vorab sehr genau anschauen.“

Neben dem fachlichen Einblick und der engen Betreuung sieht der Berufsberater einen weiteren Vorteil: „Eine gute Abi-Note in Mathe bedeutet nicht zwangsläufig gute Noten im Mathestudium – und umgekehrt. Meist kann ich im Orientierungsstudium freiwillig Tests mitschreiben. Das hilft, das eigene Niveau einzuschätzen. Und ich erfahre, wie so eine Prüfung an der Uni abläuft.“ Denn das Lernen im Studium unterscheidet sich deutlich vom Lernen in der Schule. „Am Ende des Semesters wird der Stoff aus mehreren Monaten abgeprüft. Und zwar ohne, dass der Professor einen zwischendurch ans Lernen erinnert. Das erfordert eine gute Selbstorganisation und ist für die meisten Studienanfänger sehr ungewohnt.“

Jobben im Orientierungssemester

Finanzieren lassen sich Orientierungssemester oder Studium generale über verschiedene Wege, wie Studienberater Jonas Neubert bestätigt: „Da die Teilnehmer üblicherweise an einer Hochschule eingeschrieben sind, erhalten die Eltern während dieser Zeit Kindergeld. Neben finanzieller Unterstützung durch die Eltern ist ein Nebenjob denkbar. Dafür bleibt erfahrungsgemäß ausreichend Zeit.“

Nach dem BAföG werden Orientierungssemester und Studium generale derzeit in der Regel nicht gefördert, auch Stipendien gibt es kaum. An Kosten fallen bei Orientierungssemestern meist die üblichen Semestergebühren an. Beim Studium generale wiederum können für ein Jahr mehrere tausend Euro fällig werden.

Weitere Informationen

studienwahl.de

Infoportal der Bundesagentur für Arbeit und der Stiftung für Hochschulzulassung. Hier kannst du dich über Studienmöglichkeiten in Deutschland informieren. Unter „Orientieren“ erhältst du zudem Tipps, wie du das für dich passende Studium findest.
studienwahl.de/orientieren

Studiensuche der Bundesagentur für Arbeit

Die Studiensuche hilft dir bei der optimalen Auswahl deines Studienorts oder Studienfachs. 
arbeitsagentur.de/studiensuche

BERUFE.TV

Das Filmportal der Bundesagentur für Arbeit gibt Einblick in verschiedene Berufe.
berufe.tv 

MINT-Orientierungsstudiengänge

Auf den Seiten der Initiative „Komm, mach MINT“ findet sich eine Liste mit zahlreichen Orientierungsstudiengängen im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
komm-mach-mint.de/MINT-Studium/Orientierungsstudium