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Ob 5G-Netz oder Hochleistungschip, ob Künstliche Intelligenz oder Smartphone-App, innovative Technologien verändern Arbeitsprozesse und ermöglichen neue digitale Geschäftsmodelle. Was bedeutet das für junge Menschen, die sich jetzt beruflich orientieren? abi» hat nachgefragt.
Die Digitalisierung verändert wie wir leben und arbeiten – und vor allem, wie Wertschöpfung zukünftig erfolgt. Die anstehende digitale Transformation ganzer Industrien hat die deutsche Bundesregierung zusammen mit Forschern und Forscherinnen im Jahr 2011 erstmals als „Industrie 4.0“ bezeichnet. Nach Mechanisierung, Automatisierung und Computerisierung signalisiert der Begriff sozusagen den Beginn einer vierten industriellen Revolution. „Ich persönlich würde die Digitalisierung eher als Evolution denn als Revolution bezeichnen“, urteilt Florian Lehmer vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit. Denn bislang seien keine Berufe oder Sektoren ganz weggefallen. „In welchem Maß die Auswirkungen von 4.0 mit denen der Computerisierung vergleichbar sind, werden wir wohl erst in einigen Jahren sehen.“
Tätigkeiten wurden in den vergangenen Jahren sowohl digitaler als auch grüner. Diese doppelte Transformation ist beispielsweise in der Automobilbranche gut zu beobachten, in der neben der fortschreitenden Vernetzung und Automatisierung von Produktionsprozessen der Umstieg auf Elektromobilität bewältigt werden muss.
Florian Lehmer
Ob die Digitalisierung eine Revolution wird oder nicht – für das IAB war sie immerhin Anlass genug, eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die Florian Lehmer bis November 2020 leitete. Mittlerweile ist er einer der beiden Ansprechpartner für das Kompetenzfeld „Arbeitsmarkt im Strukturwandel.“ Überhaupt war der technologische Fortschritt 1967 Anlass zur Gründung des IAB: „Damals fürchtete man tatsächlich, dass uns Massenarbeitslosigkeit durch Technik droht.“
Einen Verlust von Arbeitsplätzen im großen Stil habe es durch weitere neue digitale Technologien noch nicht gegeben, stellt der Experte fest. Jedoch laufen immer mehr Bereiche ganz ohne menschliches Zutun ab, nicht nur in der Industrie. Hier hatte die Automatisierung vor allem körperliche Arbeit ersetzt. Jetzt verändern Technologien wie Künstliche Intelligenz oder die nahtlose Vernetzung von Daten auch die „Denkarbeit“ im Büroumfeld. „Die Auswirkungen untersuchen wir mit mehreren Forschungsgruppen“, erklärt der IAB-Forscher.
Eine dieser Gruppen untersucht etwa die Substituierbarkeitspotenziale (SP), die angeben, in welchem Ausmaß ein bestimmter Beruf potenziell durch den Einsatz von neuen Technologien ersetzbar ist. „Wir beobachten, dass der Wert über die Jahre immer weiter ansteigt, einfach weil Maschinen immer mehr können.“ Feinoptiker/in, Steuerfachangestellte/r und Elektromaschinenmonteur/in sind Beispiele für Berufe mit einem SP von 100 Prozent; das SP für alle Berufe gibt der Job Futoromat an. Berufe in der Produktion, in der Logistik oder Verwaltung sind allgemein stark substituierbar und werden sich deshalb wandeln müssen.
Selbst ganz neue Berufe in der IT-Branche verändern sich. Die Arbeit von Data Scientist, Cloud-Architect und UX-Designer/in wird etwa zunehmend von Künstlicher Intelligenz unterstützt. „Solche Anwendungen halten nicht nur Einzug in der IT-Branche, sondern beispielsweise auch in Gesundheitsberufen“, erklärt Florian Lehmer. So oder so gäbe es mittlerweile kaum einen Beruf mehr, der ohne Anwenderkenntnisse von Soft- und Hardware auskommt. Der neue Textgenerator ChatGPT beispielsweise wird in vielen Branchen genutzt, um schnell neue Texte zu generieren. Wie richtig die Texte sind, sollte allerdings immer noch von Menschen geprüft werden. Wer die Chancen der Digitalisierung nutzen will, darf sich vor dem Umgang mit digitalen Technologien also nicht scheuen.
Softwareentwickler/in oder Programmierer/in muss man dennoch nicht unbedingt werden. „Nach wie vor gilt, dass man sich an eigenen Kompetenzen und Interessen orientieren soll. Wenn jemand nicht in der Informatik arbeiten will, dann sollte er das auch nicht tun“, sagt der IAB-Forscher Lehmer. Gleichzeitig bieten sich immer mehr Möglichkeiten, Felder zu verbinden, beispielsweise indem man sich dem Umweltschutz widmet und dabei mit Künstlicher Intelligenz arbeitet.
„Wir sind in einer Situation auf dem Arbeitsmarkt, in der mehr Menschen in Rente gehen als neue dazukommen“, stimmt Florian Lehmer auf Engpässe in den kommenden Jahren ein. Verschärft werden könnte dies durch eine von der Digitalisierung angetriebene Konkurrenz. Beispielsweise brauche man ziemlich viele Beschäftigte im Bau, unter anderem dafür, um Offshore-Windkraftwerke zu bauen. „Wenn diese Beschäftigten nun alle in den IT-Sektor gehen würden, hätten wir ein Problem – im Arbeitsmarkt und bei der Klimawende.“
Die Auswirkungen der Digitalisierung und der Dekarbonisierung der Wirtschaft haben teilweise ganz ähnliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, betont der Forscher. So beobachtet das IAB für beide Bereiche, dass sich ein großer Teil der Anpassungen innerhalb der Berufe abspielt: „Tätigkeiten wurden in den vergangenen Jahren sowohl digitaler als auch grüner. Diese doppelte Transformation ist beispielsweise in der Automobilbranche gut zu beobachten, in der neben der fortschreitenden Vernetzung und Automatisierung von Produktionsprozessen der Umstieg auf Elektromobilität bewältigt werden muss.“
Die zunehmende Vernetzung auch über Unternehmensgrenzen hinweg, durch Technologien wie 5G oder Cloudcomputing, ermöglichen zudem neue flexiblere Arbeitsmodelle mit mobilen Teams, an dezentralen internationalen Arbeitsplätzen. Ein Remotezugriff auf Maschinen in der Produktion rückt das Homeoffice selbst für Mitarbeitende in der Fertigung in greifbare Nähe.
„Arbeiten von zu Hause aus ist für manche Menschen die Erfüllung eines Traums, andere wiederum haben damit ein Problem.“ Florian Lehmer weist auf eine doppelte Eigenverantwortung hin: Einerseits muss man sich im Homeoffice selbst motivieren und die übertragenen Aufgaben zuverlässig erledigen, andererseits darf man es auch nicht übertreiben und täglich Überstunden machen. „Außerdem werden soziale Kompetenzen wichtiger, die sich etwa darin zeigen, wie ich mit anderen Menschen per Bildschirm zusammenarbeite.“ Und lebenslanges Lernen ist noch wichtiger geworden als ohnehin schon: „Das Wissen veraltet durch die Digitalisierung – der aus Schule, Ausbildung und Studium mitgebrachte Sockel ist schneller weg.“
Florian Lehmer sieht aber auch darin eine große Chance. Zusammenfassend gesagt: eine Massenarbeitslosigkeit durch die Industrie 4.0 Revolution droht, anders als bei den vorhergehenden industriellen Revolutionen, nicht. Vielmehr werden andere Berufe wichtiger oder gänzlich neue entstehen. Außerdem bringen digitale Arbeitsmodelle mehr Balance zwischen Leben und Arbeit. „Wenn wir uns die Beschäftigten ansehen und in Umfragen herausfinden, welche Technologien sie nutzen, sehen wir, dass sie überwiegend von der Digitalisierung profitieren, unter anderem durch stabilere Beschäftigungsverhältnisse und stärkere Lohnentwicklung.“
Die Webseite der Bundesagentur für Arbeit bietet über 3.000 aktuelle Berufsbeschreibungen in Text und Bild.
www.arbeitsagentur.de/berufenet
Mit dem Job-Futuromat des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung lässt sich das Substituierbarkeitspotential eines bestimmten Berufs abfragen.
job-futuromat.iab.de
Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche.
bitkom.org
Größte Informatikfachvertretung im deutschsprachigen Raum.
gi.de
Jugendorganisation der Gesellschaft für Informatik.
junge.gi.de
Lerninhalte unter anderem der Informatik für Klassen und einzelne Schüler*innen.
byte-challenge.de
Stand: 15.06.2023
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