Für Deutschland im Ausland:
Netzwerken zwischen den Welten
Netzwerken in der Welt, andere Länder kennenlernen oder sogar auf Dauer in der „Fremde“ leben –180.000 Deutsche verwirklichen jährlich diesen Traum. Die wenigsten kehren ihrer alten Heimat für immer den Rücken: Einige der derzeit fast vier Millionen Deutschen im Ausland gehen für die Interessen ihres Landes in die Fremde und agieren als Netzwerkerinnen und Netzwerker zwischen den Welten.
„Nach meinem Abitur entschied ich mich für einen Freiwilligendienst in Punta Arenas in Chile, der südlichsten kontinentalen Stadt der Welt“, erinnert sich Iris Wunderlich. Während ihrer Schulzeit liebäugelte sie noch damit, Spanisch und Geographie auf Lehramt zu studieren. Nach dem Aufenthalt in Südamerika war ihr aber klar, dass sie später gerne nochmal in Chile oder einem anderen südamerikanischen Land arbeiten wollte. Schließlich schrieb sie sich für Wirtschaftshispanistik an der Universität Kassel ein und kehrte noch während ihrer Studienzeit für ein Auslandssemester nach Chile zurück.
Die Tätigkeiten ihres heutigen Arbeitgebers, der Auslandshandelskammer (AHK) Chile, lernte Iris Wunderlich bereits während ihres Studiums kennen. „Die AHK war eine meiner Anlaufstellen bei der Recherche für meine Abschlussarbeit.“ Sechs Jahre später entdeckte sie durch Zufall eine Stellenausschreibung, bewarb sich und brach schon wenig später mit zwei Koffern nach Chile auf, wo sie in ihren neuen Lebensabschnitt startete. „Mittlerweile lebe und arbeite ich seit acht Jahren in Chile und habe zwei Töchter, die beide hier geboren sind.“
Neben allgemeinen Anfragen zu Themen wie Bergbau oder Nachhaltigkeit kümmert sich die Wirtschaftsexpertin in ihrer Tätigkeit als Project Leader Mining & Sustainability bei der AHK um die verschiedenen Projekte der Kammer. „Ich organisiere Events, schreibe Studien und stelle Informationen zur Verfügung. Für deutsche Unternehmen, die nach Chile wollen oder in Chile sind, bin ich die erste Anlaufstelle. Aber auch für chilenische Unternehmen, die sich nach Deutschland orientieren sind wir Ansprechpartner.“ Den Großteil der Arbeit erledigt sie vom Büro aus, aber es stehen auch Meetings mit Unternehmen, Organisationen oder auch (politischen) Institutionen auf der Tagesordnung. „Wenn es um politische Arbeit geht, arbeiten wir Hand in Hand mit der deutschen Botschaft vor Ort.“
Iris Wunderlich ist eine von vier Millionen Deutschen, die derzeit einen kulturellen Seilakt im Ausland vollführen. 76 Prozent davon verfügen über einen Hochschulabschluss und die Hälfte arbeitet in hochqualifizierten Berufen. Anders als Iris Wunderlich bleibt allerdings nur ein Drittel längere Zeit in der Ferne, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) in einer aktuellen Studie herausgefunden hat. Wer von ihnen beruflich Brücken zwischen alter und neuer Heimat schlägt, ist ungewiss, sagt Claudia Silvestroni, Beraterin bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. Klar dagegen sei, dass nicht nur ein BWL-Studium auf eine Aufgabe im internationalen Umfeld vorbereitet.
Claudia Silvestroni
Foto: privat
„Im medizinisch-therapeutischen Bereich haben auch Leute mit einer Ausbildung eine Chance, ansonsten braucht man ein Studium, aber eigentlich keines, das international ausgerichtet ist“, weiß Claudia Silvestroni. Es gebe viele Möglichkeiten für „normale“ Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler, Ingenieurinnen und Ingenieure oder Sprach-, Sozial- und Geisteswissenschaftlerinnen beziehungsweise -wissenschaftler als deutsches Bindeglied ins Ausland zu gehen: „Für Privatwirtschaft und Handel oder im kulturellen und politischen Austausch“, erklärt sie und verweist auf Einsatzfelder im Bereich Entwicklungszusammenarbeit, im Journalismus, in den 158 Goethe-Instituten in 98 Ländern der Welt und auf das Auswärtige Amt. Dieses unterhält nicht nur deutsche Botschaften und Konsulate in 227 Ländern der Welt, sondern auch multilaterale Vertretungen bei internationalen Organisationen wie der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen (UN).
„Energie, Klima, Migration, Sicherheit und Frieden – die großen Probleme unserer Zeit lassen sich nur multilateral angehen. Das wird immer wichtiger“, ergänzt Hellmut Meinhof vom Büro Führungskräfte zu Internationalen Organisationen (BFIO). Das Büro gehört zur ZAV und berät über Zugangswege zu Organisationen wie OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation), Weltbank, WHO (Weltgesundheitsorganisation) oder UNHCR (UN-Flüchtlingskommissariat). „Etwas bewirken, etwas Sinnstiftendes tun, im Fall der UN, mit 193 Staaten unter einem Dach, gemeinsam daran arbeiten, das große Ganze, die Welt zu einem besseren Ort für alle zu machen, ist ein unglaublich spannendes Arbeitsfeld“, sagt er und betont, dass internationale Organisationen mitnichten nur Beamtinnen und Beamten im Auswärtigen Dienst offenstehen.
Hellmut Meinhof
Foto: Marcel Schmutzler
„Die internationalen Stellenausschreibungen richten sich an alle Führungs- und Fachkräfte weltweit, wobei Deutschland ein großes Interesse daran hat, dass sich viele Deutsche bewerben“, sagt Hellmut Meinhof. „Bei einigen Organisationen sind wir noch etwas unterrepräsentiert.“ Hochschulabsolventinnen und -absolventen mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung greift das BFIO deshalb im Auftrag der Bundesregierung mit dem Programm Junior Professional Officer (JPO) unter die Arme. „Der Master ist Voraussetzung. Für eine EU-Laufbahn reicht dagegen formal ein Bachelorabschluss aus.“
Dem Interesse an den Stellen tat auch die Coronakrise keinen Abbruch, wie Hellmut Meinhof sagt: „Menschen, die etwa in Entwicklungsländern arbeiten wollen, haben ohnehin ein anderes Sicherheitsbedürfnis.“ Auf Arbeitgeberseite, beispielsweise bei den Vereinten Nationen (UN), sei man auch besser auf die Situation vorbereitet: „Die Strukturen bei den Vereinten Nationen sind resilienter. Man ist auf Krisen eingestellt und gewohnt, Lösungen zu finden.“ Auch das Arbeiten im Homeoffice sei kein Neuland bei derartigen Organisationen, die digitale Zusammenarbeit ohnehin seit Jahren gängige Praxis. „Jedoch gibt es Bereiche, wo Homeoffice nicht geht – im Flüchtlingslager muss man vor Ort sein“, weiß Hellmut Meinhof.
Ob auf europäischer Ebene, weltweit oder bilateral – wer beruflich zwischen den Kulturen arbeiten möchte, braucht Interesse an gesellschaftlichen Zusammenhängen und eine Vorstellung davon, was es heißt, anders zu denken und zu leben, merkt Claudia Silvestroni an. „Sich nur über Instagram ein Bild von der Welt gemacht zu haben oder Bücher über interkulturelle Kompetenz zu lesen, reicht nicht.“ Stattdessen müsse man früh Auslandserfahrung sammeln, idealerweise noch vor dem Studium bei einem Auslandsschuljahr, einem Freiwilligendienst, Work & Travel- oder Au-pair-Aufenthalt, Minimum sechs Monate am Stück. „Spätestens im Studium muss man sich ranhalten, Sprachkenntnisse intensivieren und ein Semester zum Beispiel für ein Praktikum weggehen“, ist ihre Empfehlung. „Ich empfehle dabei, sich nicht ausschließlich auf englischsprachige Länder zu konzentrieren.“
Auch Claudia Silvestroni stellt trotz Corona ein hohes Interesse an Stellen fest, nur wenige wollen lieber später ins Ausland gehen. „Eine wichtige Frage ist, ob sie dürfen und ob es Stellen gibt, denn es werden kaum mehr Praktika angeboten.“ Sie empfiehlt Bewerberinnen und Bewerbern, die Warnungen des Auswärtigen Amts zu lesen, die sich ständig ändern. „Oft sind es die Zielländer, die ihre Grenzen geschlossen haben, während Deutschland eine Ausreise erlauben würde.“
Wer zweisprachig aufgewachsen ist und zwei Welten kennt, bringt unter Umständen bereits viele der gefragten Kompetenzen mit: „Ein Migrationshintergrund kann von Vorteil sei, wenn man sich mit dem Land der Eltern oder Großeltern aktiv auseinandergesetzt hat“, merkt Claudia Silvestroni an. Hellmut Meinhof ergänzt: „Sprachen sind zwar wichtig, aber noch wichtiger ist es zu wissen, was es heißt, sich in unterschiedlichen Kulturen zu bewegen.“ In diesem Sinne macht er allen Mut, sich nicht vom vermeintlich elitären Anstrich abschrecken zu lassen, gerade wenn man fachlich alle Voraussetzungen mitbringt.
„Die halbe Miete ist Netzwerkarbeit. Man braucht Spaß am Kommunizieren und Interesse daran, gute belastbare Beziehungen im Ausland aufzubauen. Die Fähigkeit zur Selbstpräsentation und eine situative Wachheit sind ebenfalls gute Voraussetzungen“, sagt er und Claudia Silvestroni fügt an: „Man muss Lust auf Land und Leute haben. Wer das nur macht, um später zu Hause schneller die Karriereleiter hochzuklettern, wird in seiner Zeit als Brückenbauer an Grenzen stoßen.“
Wege ins Ausland
Gemeinschaftliches Portal von neun Institutionen (u.a. das DAAD, das GIZ und die ZAV), die neutral und kostenlos zum Thema „Ausland“ beraten und informieren.
wege-ins-ausland.org
Bundesstelle für Auswanderer und Auslandstätige
Hier gibt’s Informationen zu Einreise-, Aufenthalts- und Zollbestimmungen sowie arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen in unterschiedlichen Ländern.
bva.bund.de
Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ)
Die GIZ unterstützt die Bundesregierung, ihre Ziele in der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.
giz.de
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
bmz.de
Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV)
Die ZAV der Bundesagentur für Arbeit berät auslandsinteressierte Arbeitnehmer, Ausbildungssuchende und Studierende, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben und sich für einen lang- oder kurzfristigen Aufenthalt im Ausland interessieren.
www.arbeitsagentur.de/vor-ort/zav/startseite
studienwahl.de
Infoportal der Stiftung für Hochschulzulassung in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit
studienwahl.de
BERUFENET
Das Onlinelexikon für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.000 ausführlichen Berufsbeschreibungen in Wort und Bild
www.berufenet.arbeitsagentur.de
Rausvonzuhaus
Informationen rund um das Thema Auslandsaufenthalte und internationale Begegnungen für junge Leute inklusive Länderinformationen.
rausvonzuhaus.de
Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD)
daad.de
Verband deutscher Bediensteter bei internationalen Organistationen (VDBIO)
vdbio.org
Deutsche Auslandshandelskammern (AHK)
Die AHKs beraten, betreuen und vertreten weltweit deutsche Unternehmen, die ihr Auslandsgeschäft auf- oder ausbauen wollen. Sie helfen zudem qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern bei der Suche nach passenden Stellen im Ausland.
ahk.de
Büro Führungskräfte zu Internationalen Organisationen (BFIO)
Hier finden Führungs- und Nachwuchskräfte Informationen zu allen Fragen der Beschäftigung bei Internationalen Organisationen.
bfio.de
Germany Trade & Invest (GTAI)
Mit über 50 Standorten weltweit und einem Partnernetzwerk unterstützt GTAI deutsche Unternehmen bei ihrem Weg ins Ausland, wirbt für den Standort Deutschland und begleitet ausländische Unternehmen bei der Ansiedlung in Deutschland.
gtai.de
Bundesinsitut für Bevölkerungsforschung (BIB)
Das BiB unterstützt u.a. die Bundesregierung bei der internationalen Zusammenarbeit in Bevölkerungsfragen im Rahmen der Vereinten Nationen.
bib.bund.de
Verein Deutsche im Ausland (DIA)
Ziel des Vereins ist die Bereitstellung von Informationen, Adressen und Links zur Verbesserung der Lebensverhältnisse von Deutschen im Ausland.
deutsche-im-Ausland.org
Goethe-Institut
Das Goethe-Institut ist ein gemeinnütziger Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland zu fördern, die internationale kulturelle Zusammenarbeit zu pflegen und ein umfassendes, aktuelles Deutschlandbild zu vermitteln.
goethe.de
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