Interview:
„Digitalisierung treibt Entwicklung neuer Lehrformate voran“
Tilman Dörr, Leiter des Bereichs Bildung bei der Hochschulrektorenkonferenz, erläutert, welche neuen Studienformen auf künftige Studierende zukommen.
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Herr Dörr, wohin gehen die Trends im Studium?
Tilman Dörr: Lebenslanges Lernen gewinnt an Bedeutung. Dafür braucht es flexible Lernwege, die individuelle Bildungsbiografien unterstützen, und Angebote wissenschaftlicher Weiterbildung. Anerkennung und Anrechnung bereits erworbener Kompetenzen unterstützen möglichst nahtlose Übergänge im Bildungssystem. Zudem treibt die Digitalisierung die Entwicklung neuer Lehrformate voran. Sie verbinden die Vorteile des Präsenzstudiums und des orts- und zeitunabhängigen Lernens und können dazu beitragen, Studienangebote flexibler zu gestalten.
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Welche neuen Studienformen erwarten uns in Zukunft?
Tilman Dörr: Künftig könnten die Studierenden bei der Gestaltung des ganzen Lernprozesses, der Studienordnung und der Methoden noch mehr ins Zentrum rücken. Auch wird projekt- oder problembasiertes Lernen stärker in den Vordergrund treten und gemeinsam mit Blended-Learning-Angeboten für mehr Flexibilität bei Lehr- und Lernformaten sorgen. Zudem gewinnen duale und Fernstudiengänge sowie Microcredentials, also Nachweise über Lernergebnisse aus kleineren Lerneinheiten, weiter an Beliebtheit. Bei aller Flexibilität sollte jedoch immer das qualitativ hochwertige Studienangebot im Fokus stehen. Manche Formate stoßen zudem fachspezifisch an ihre Grenzen. Wichtiger wird auch die Förderung von Kooperationsfähigkeit und interdisziplinärer Zusammenarbeit, die aber oft nur in Präsenzformaten gut umsetzbar ist. Praxisbezüge im Studium sind wichtig, müssen aber gezielt eingebettet und reflektiert werden, um eine sinnvolle Ergänzung zu sein.
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Wie passen sich Studienordnungen und akademische Regelwerke dieser neuen Realität an?
Tilman Dörr: Die Weiterentwicklung von Studien- und Prüfungsordnungen braucht Zeit. Sie sind der Gesetzgebung der Bundesländer unterworfen und an Akkreditierungsvorgaben gebunden. Gleichzeitig benötigen Hochschulen Freiheit, um in den Fächern neue Formate ausprobieren zu können. Im Idealfall balancieren sich die Vorgaben und innovative Ansätze so aus, dass eine flexible und zukunftsorientierte akademische Ausbildung entsteht.
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Wie beeinflussen künstliche Intelligenz und Datenschutz diese Entwicklungen?
Tilman Dörr: Hochschulen nutzen generative KI auf vielfältige Weise. Wichtig ist dabei ein reflektierter Umgang, der Sensibilität und entsprechende Kompetenzen im Umgang mit KI-Modellen erfordert. Diese kritische Auseinandersetzung findet an Hochschulen bereits statt, wird mit der steigenden Durchdringung des Alltags durch KI aber weiter an Bedeutung gewinnen. In diesem Kontext spielen sowohl allgemeine als auch KI-spezifische Datenschutzfragen eine Rolle.
Tilman Dörr ist Leiter des Bereichs Bildung bei der Hochschulrektorenkonferenz. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ist der freiwillige Zusammenschluss der staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen in Deutschland. Sie befasst sich mit allen Themenfeldern, die Rolle und Aufgaben der Hochschulen in Wissenschaft und Gesellschaft betreffen.
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