Friedens- und Konfliktforschung:
Konflikte zwischen Adler und Axolotl
Ein Interesse an Politik und gesellschaftlichen Zusammenhängen hatte Florian Thaller (32) schon immer. Nach einem Lehramtsstudium widmet er sich im Masterstudium an der Universität Marburg der Friedens- und Konfliktforschung.
Florian Thaller erklärt die Lösung von Konflikten am Beispiel zweier Menschen, die es auf dieselbe Orange abgesehen haben. „Im einfachsten Fall nimmt sich der Stärkere die Frucht“, sagt er. Ein klassischer Kompromiss hingegen würde bedeuten, das Obst in zwei Hälften zu schneiden. „Wenn man aber intelligenter an die Sache herangeht, schaut man sich die Motive beider Seiten an: Eine will vielleicht nur den Saft und die andere die Schale, um sie als Zutat für einen Kuchen zu verwenden.“
Mit der Findung solch intelligenter Lösungen befasst sich der 32-Jährige seit mittlerweile drei Semestern in seinem Masterstudium der Friedens- und Konfliktforschung. Zunächst studierte er Lehramt auf Geografie und Englisch, schloss hier mit dem ersten Staatsexamen ab. „Ich habe mich schon immer für Politik und gesellschaftliche Zusammenhänge, aber auch für Fremdsprachen interessiert“, berichtet er. „Insofern war mein bisheriges Studium schon thematisch passend, aber noch nicht ganz das Richtige für mich.“
Florian Thaller
Foto: Peter Stedeler
Statt Referendariat und zweitem Staatsexamen bewarb er sich also für einen der knapp 40 Studienplätze in Friedens- und Konfliktforschung, welche die Marburger Philipps-Universität in jedem Jahr anbietet – gemeinsam mit bis zu 400 anderen Bachelorabsolventen, die sich üblicherweise hierfür interessieren. „Zu Gute kamen mir beispielsweise meine Kenntnisse in Englisch, Spanisch und Französisch“, weiß er. Auch dass er eine Zeitlang an der Volkshochschule tätig war und dabei Geflüchtete in der deutschen Sprache unterrichtete, gab er als Erfahrung in seiner Bewerbung an. Des Weiteren hatte er einen Studienaufenthalt an der Pennsylvania State University in den USA absolviert und sich für den Verein Weitblick Marburg e.V. bei Kooperationsprojekten in Indien und Kenia engagiert.
Die Ausrichtung des Studiums ist ebenso international. In einem Planspiel beispielsweise ging es um eine internationale Gemeinschaft, ähnlich den Vereinten Nationen, insbesondere um einen Konflikt im krisengeschüttelten, fiktiven Rosanien. „Da gab es verschiedene ethnische Gruppen, die in Konflikt stehen und teils Verbündete in Nachbarländern haben“, berichtet Florian Thaller. Im Spiel vertrat jeder Teilnehmer eine dieser Gruppen: „Da gab es Intrigen, keiner konnte dem anderen vertrauen. Am Ende stellte sich heraus, dass sich in meinem Team ein Maulwurf befand, der Informationen weitergab.“
Das erste Semester begann zunächst mit einer Einführungsveranstaltung, durch die alle Studierenden mit den Grundlagen vertraut gemacht wurden: etwa mit Konflikttheorien und methodischen Ansätzen zur Lösung derselben. Auch hier gab es eine praktische Übung, bei der die Studierenden in Gruppen aufgeteilt wurden und jeweils die komplexen Zusammenhänge eines Konfliktes darstellen und zur Diskussion stellen sollten. Florian Thallers Gruppe stellte den Konflikt im südchinesischen Meer vor, bei dem China Anspruch auf zwischen Malaysia, den Philippinen und Vietnam gelegenen Inseln erhebt. „Wir verwandelten die Konfliktparteien in landestypische Figuren: China war ein Drache, die USA waren ein Adler und Vietnam ein zweiköpfiges Axolotl, um auf die historische Dimension der ideologischen Spaltung einzugehen.“ Dann beschrieb die Gruppe den Konflikt als Fabel.
Auch Auslandsaufenthalte gehören zu dem Studium wie selbstverständlich dazu. So nahm Florian Thaller etwa an einer einwöchigen Sommeruniversität in Budapest teil, wo er sich speziell mit dem Thema Mediation beschäftigte. Und er wird über ein Austauschprogramm der Universität Marburg für ein halbes Jahr nach Tokio gehen, wo er auch seine Grundkenntnisse der japanischen Sprache ausbauen wird. „Das Studium sieht weiterhin ein dreimonatiges Praktikum vor, das ich eventuell in Guatemala absolvieren werde“, sagt Florian Thaller.
Durch internationale Kooperationen bietet die Universität einige Möglichkeiten für Auslandssemester und Praktika. „Jedoch ist auch Eigeninitiative gefragt.“ Man setzt eigene Schwerpunkte, bringt sein eigenes Profil ein und baut dieses aus. „Je nachdem, was man nach dem Studium machen will, erweitert man seine Kompetenzen.“ Besonders reizvoll findet er die interdisziplinäre Ausrichtung der Lehre, unter anderem mit Inhalten aus der Soziologie, der Sozialpsychologie, den Politikwissenschaften.
Nach dem Master strebt Florian Thaller eine Arbeit in der Forschung an, nach Möglichkeit auch eine Promotion. „Ich würde gerne an einer Universität oder Forschungseinrichtung im Ausland arbeiten – oder in die diplomatische Richtung gehen.“ Genau festgelegt hat er sich noch nicht. „Die Möglichkeiten sind vielfältig.“
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