zum Inhalt

Ist das wirklich so? Berufe und Klischees: Pflegefachmann

Pflegefachfrauen und -männer leisten in den Bereichen Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege eine wichtige Arbeit. Doch arbeiten dort wirklich nur Frauen, die schlecht bezahlt werden und ständig Überstunden machen müssen? Die Berufsgruppe hat mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Was wirklich dran ist, erfahrt ihr im abi» Podcast.

  • Portrait von Dustin Struwe

    Wir reden hier über ganz, ganz viele verschiedene Fachrichtungen, über ganz, ganz viele Beobachtungsfähigkeiten, die ich haben muss. Über viel Empathie, Verständnis, und vor allen Dingen darüber – in Fällen von Notfällen und Stürzen –, zeitnah vernünftig zu reagieren.

    Dustin Struwe arbeitet seit zwölf Jahren als examinierter Pflegefachmann in der Altenpflege.

Textversion des Podcasts zum Lesen (Audio-Transkript)

Jingle: abi» – Dein Podcast für die Berufsorientierung!

abi»: Es gibt Berufsgruppen, bei denen sich bestimmte Klischees hartnäckig halten. Dazu gehört auch der Beruf der Pflegefachkraft, die in den Bereichen Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege eine wichtige Arbeit leistet. Ich heiße Anne und spreche heute mit Dustin Struwe. Er ist seit zwölf Jahren als examinierter Pflegefachmann in der Altenpflege tätig. Gemeinsam möchten wir in der heutigen Podcast-Folge herausfinden, in welchen Mythen und Vorurteilen vielleicht auch Wahrheit drinsteckt und welche man dagegen ganz klar widerlegen kann.

Dena:
Hallo, ihr kennt mich nicht.
Doch hört mal zu jetzt!
Ich bin der Junge, der über ‘nen Beruf rappt,
kennt ihr dieses Aufstehen um halb fünf?
Feiertage, Wochenende.
Wichtig, dass das Geld stimmt.
Doch das Bare wird zur Nebensache,
denn bist du alt und grau,
ist das Leben nur noch schwer zu schaffen.
Du brauchst Hilfe und kommst nicht mehr alleine zurecht
und bist für jeden Menschen dankbar, der jetzt bei dir ist.
Doch sind wir ehrlich: Davon gibt es viel zu wenig,
denn für die meisten ist es einfach nur eklig.
Irgendwann holt uns Gott alle heim.
Doch vorerst wirst du erstmal alt,
kommst ins Heim.
Die letzte Tür des Lebens –
sie scheint erreicht.
Nun bist du hier, weil du alleine nicht mehr weiterweißt.
Doch gerade dann gibt's so Menschen wie mich,
die zaubern dir dann prompt ein Lächeln in dein Gesicht.

abi»: Hallo Dustin, herzlich willkommen beim abi-Podcast! Wir wollen heute mal gemeinsam etwas mit den Klischees aufräumen. Bist du bereit?

Dustin Struwe: Ich bin bereit und freue mich über die Einladung, hier bei euch sein zu dürfen.

abi»: Der Pflegeberuf ist wahrscheinlich vielseitiger, als so mancher denkt. Kannst du ein paar unterschiedliche Aufgabenbereiche schildern?

Dustin Struwe: Also in erster Linie ist, glaube ich, Arbeit im Gesundheitssystem oder überhaupt Arbeit an und mit Menschen jeden Tag sehr vielseitig, ne? Ich habe zwar jeden Tag dieselben Stunden, die ich arbeite, aber kann nie heute sagen, was ich, was morgen passiert. Da kann alles dabei sein. Da kann ein sehr ruhiger Dienst sein, wo man sich dann im Endeffekt bei der Grundpflege um die Leute kümmert, die Leute versorgt. Es kann aber auch passieren, dass ich zehn Minuten im Dienst bin und den ersten Sturz habe, den ersten Notfall habe. Also, es ist vielseitig im Sinne von: Wie ist der Mensch drauf, mit dem ich gerade arbeite?

abi»: Jeder, der in der Pflege arbeitet, wird nach wenigen Jahren mit körperlichen Beschwerden wie Rückenproblemen zu kämpfen haben. Stimmt das?

Dustin Struwe: Also, man muss ehrlich sein, man muss ehrlich sein, dass jeder für sich selber verantwortlich ist. Ich mache jetzt mal einfach das Beispiel des Dachdeckers: Ich glaube, der Dachdecker, der ist wahrscheinlich genauso vorbelastet, vielleicht für seinen Rücken. Man muss selber gucken, wie man sich da nicht im Weg steht. Ich war einer, der mit 18, 19 und 20 Jahren auch gesagt hat: „Hey, und bei jedem Bewohner hier das Bett hochfahren? Das dauert doch, ist doch alles Zeitverlust. Ich kann mich doch bücken!“ Oder gewisse – lernt man in der Ausbildung, so Kinästhetik – bisschen mit dem Gewicht zu arbeiten. Wie hebe ich einen Bewohner rückenschonend? Ich sag mal so, ich bin da jetzt seit zwölf Jahren Vollzeit drinne, beziehungsweise seit 15 Jahren mit meiner Ausbildung. Ich würde lügen, wenn ich vielleicht in meiner Bandscheibe nicht das eine oder andere Wehwehchen hätte und vielleicht auch mal irgendwo Behandlung brauchte. Ohne da jetzt zu tief ins Detail zu gehen. Muss aber auch sagen, man arbeitet in drei Schichten: Früh-, Spät-, Nachtschicht. Ich glaube auch, da ist die Quote mit Schlafproblemen und Biorhythmus auch ziemlich hoch. Aber ich denke, jeder Job hat so seine Facetten, wo man ein bisschen gucken muss, wie man da selber sich prophylaktisch vorbereitet, dass einen das nicht so betrifft. Aber hier, wenn ich kurz den Finger heben darf, auch als Praxisanleiter der ich bin: Meine lieben Leute, fahrt die Betten hoch, arbeitet rückenschonend und dann sollte das funktionieren!

abi»: Ja, wichtiger Punkt.

Dustin Struwe: Wenn wir, glaube ich, über eine Quote im Gesundheitsberuf, damit meine ich nicht den Pflegeberuf, sondern den allgemeinen Gesundheitsberufen sprechen, dann ist das die Krankheit Burnout. Ich sage das, weil das einer der höchsten Abbruch-Quoten ist für Kündigungen. Deshalb erlaube ich mir, das jetzt einfach mal zu sagen, ohne dass ich Neurologe oder Arzt bin, aber deswegen: Redet über das, was ihr erlebt, vertraut euch Leuten an. Es ist auch richtig wichtig, dass man irgendwie über seine Emotionen spricht, bevor sie einen irgendwie auffressen, weil das wäre schade für so einen schönen Beruf, dadurch Leute zu verlieren, ne?

abi»: Ja, und ich denke auch, nicht nur sich bei Freundinnen/Freunden öffnen, sondern im Zweifel auch professionelle Hilfe suchen.

Dustin Struwe: Ganz genau!

abi»: Dinge aufarbeiten.

Dustin Struwe: Nicht auffressen, nicht mit nach Hause nehmen – Reden. Kommunikation ist wichtig.

abi»: Du hast schon die Schichten angesprochen. Als Pflegekraft muss man ständig Überstunden machen und an den Feiertagen arbeiten. Ist das so?

Dustin Struwe: Das ist tatsächlich so, ja. Also, wir reden ja hier von einem Job in der Pflege, wo man mit Menschen arbeitet und diese Menschen müssen 24/7 versorgt werden. An Feiertagen gibt es den einen oder anderen Euro mehr, sprich, man verdient den einen oder anderen Feiertagszuschlag. Genauso wie ich einen Sonntagszuschlag habe. Oder in dem Fall einen Nachtschicht-Zuschlag, also man wird etwas entgeltlich bezahlt, dafür, dass man dann vielleicht an einem Sonntag arbeiten darf, während andere frei haben.

abi»: Bleiben wir gleich beim Geld – stimmt es wirklich, dass man in der Pflege grundsätzlich schlecht bezahlt wird?

Dustin Struwe: Eine ganz wichtige Frage, weil immer noch Klischee hier die Überschrift ist. Ich sage es mal so: Wo ich angefangen habe, 2009, war das noch anders. Da hätte ich dir die Frage jetzt mit ja beantwortet. Im Sinne von: Was ist fair? Was ist schlecht bezahlt? Für das, was man tut, wenn du einfach unterbesetzt bist und mit drei Leuten irgendwie 40 Leute versorgen sollst, dann müssen wir darüber reden, dass dafür, dass ich dann noch Feiertage und Sonntage arbeite, zu dem Zeitpunkt 2009, es noch etwas weniger bezahlt wurde. Jetzt ist es so, dass wir flächendeckend seit 2022, also in allen Bundesländern, einen Tarifvertrag haben in der Pflege. Bedeutet nicht nur die Krankenschwestern in den Krankenhäusern, die haben das schon länger, verdienen nach Tarif. Kurz erklärt: Umso länger ich in meinem Betrieb arbeite, umso mehr Geld verdiene ich, mit Anpassung des Mindestlohns für Pflegekräfte und zwar auch hier für alle Bundesländer. Und da muss ich jetzt einfach fairerweise sagen, mir geht es sehr gut in der Pflege, auch finanziell. Ich habe viele Kollegen, die das ebenfalls sagen können.

abi»: Also, das Klischee können wir ausräumen. In der Pflege, da arbeiten doch nur Frauen mit Migrationshintergrund. Das ist ein sehr hartes Klischee. Wie viel Wahrheit, würdest du sagen, steckt drin?

Dustin Struwe: Ich denke im Allgemeinen im Gesundheitsberuf, wenn man sich jetzt einfach mal in einem Krankenhaus umschaut, ein Krankenhaus betritt, da arbeiten mehr Frauen als Männer, genauso wie ich sage, bei mir auf Station arbeiten mehr Frauen als Männer. Und wenn ich das jetzt so pauschal übern Kamm hau, mit der Berufserfahrung, die ich wegen mir habe, auch hier und da dem einen oder anderen Pflegeheim und Haus schon mal gewesen bin und mich da umgeschaut habe: Ich denke schon, dass wir so 60/40, 70/30 wahrscheinlich Frauenquote haben.

abi»: Aber warum, denkst du, ist das so?

Dustin Struwe: Naja, wir reden ja hier auch so ein bisschen über Klischees und ich, als ich in dem Beruf angefangen habe mit meinem damals zarten 18 Jahren, die ich war, war ich tatsächlich auch bei mir in der Schule der einzige, der sich für diesen Pflegeberuf entschieden hat. Da hat das schon angefangen, dass meine Mitschüler meinten: Wieso machst du das? Das war für mich schon sehr schwierig. Da haben wir wieder dieses Klischee, die Pflegekraft wäscht nur Hinterteile ab, wenn ich das mal nett ausdrücken darf und die Krankenschwestern trinken nur Kaffee. Das sind so diese Sätze, mit denen ich aufgewachsen bin. Wir reden hier von Medikamentenlehre, wir reden von Examen, wir reden von Behandlungspflegen, und wir reden verdammt noch mal von Professionalität mit dem Herz am rechten Fleck.

abi»: Auf jeden Fall. Was ist das Schönste an deinem Beruf?

Dustin Struwe: Definitiv die Momente, die man mit den Bewohnern hat. Ich meine, man arbeitet hier mit Menschen und ich freue mich mittlerweile über die kleinsten Kleinigkeiten. Wenn ich von dem Bewohner, der unsicher ist im Gang, dem ich aber meine vollste Unterstützung biete, meine vollste Professionalität und Sicherheit und ihm sage: „Wir laufen jetzt die acht Schritte von Bett zur Nasszelle“. Und wenn das funktioniert und der Bewohner selber von sich überrascht ist, dass er das vielleicht körperlich doch noch hinkommen hat und mich dann anguckt und sich dafür bedankt, dass ich mir die Zeit genommen habe – das sind die Kleinigkeiten. Wir reden hier über Berufsgruppen, die definitiv nicht nur beinhalten, dass man Menschen wäscht, dass sie satt sind, dass sie sauber sind. Wir reden hier über ganz, ganz viele verschiedene Fachrichtungen, über ganz, ganz viele Beobachtungsfähigkeiten, die ich haben muss, über viel Empathie, Verständnis, was ich haben muss, und vor allen Dingen auch in Fällen von Notfällen stürzen, zeitnah vernünftig zu reagieren.

abi»: Vielen lieben Dank, Dustin, für dieses schöne Interview.

Dustin Struwe: Sehr gerne!

abi»: Wir haben viel Neues erfahren und es hat wirklich Spaß gemacht.

Dustin Struwe: Ja, mir auch. Sehr gerne, sehr gerne!

abi»: Vielleicht konnten wir ja dein Interesse wecken. Im abi» Portal findest du noch weitere Hintergrundinformationen zu den verschiedenen Pflegeberufen.
Klick doch mal rein, unter: „Orientieren > Was will ich? was kann ich? > Ich will was machen mit … > Arbeiten mit Menschen“
Du möchtest lieber über ein Studium in die Pflegebranche? Unter: „Studium > Studienbereiche > Medizin, Gesundheitswissenschaften, Psychologie, Sport > Pflegepraxis, Management, Pädagogik“ findest du einen Beitrag zum dualen Studium in der Pflege. Das war dein abi» Podcast. Redaktion und Produktion: Anne Kreitlein für den Meramo Verlag im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit.

DenaMusik: Nachdem Dustin zu Beginn seiner Karriere einen Spätdienst mit zwei Sterbefällen hatte, suchte er nach einem Weg, die emotionalen Erlebnisse seines Arbeitsalltags verarbeiten zu können. So begann er, als Dena über seinen Beruf zu rappen, und erreicht damit seitdem viele Menschen. Mit seiner Musik motiviert er Kolleginnen und Kollegen, tritt live auf Kongressen und Messen auf und öffnet mit seinen Songs auch Menschen außerhalb der „Pflege-Bubble“ die Augen.

Weitere Informationen

BERUFENET

Das Onlinelexikon der Bundesagentur für Arbeit bietet über 3.000 aktuelle Berufsbeschreibungen in Text und Bild.
www.arbeitsagentur.de/berufenet

BERUFE.TV

Das Filmportal der Bundesagentur für Arbeit listet 350 Filme über Ausbildungsberufe und Studiengänge.
www.berufe.tv

Check-U – das Erkundungstool der Bundesagentur für Arbeit

Mit dem Erkundungstool Check-U findest du heraus, welche Ausbildungsberufe und Studienfelder besonders gut zu deinen Stärken und Interessen passen.
www.check-u.de

Berufsausbildung und mehr

Ausbildungsplatzsuche der Bundesagentur für Arbeit
www.arbeitsagentur.de/berufsausbildung

Studiensuche der Bundesagentur für Arbeit

In der Studiensuche kannst du recherchieren, welche Studiengänge an welchen Hochschulen in Deutschland angeboten werden.
web.arbeitsagentur.de/studiensuche