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Ingenieurwesen: In fast allen Ingenieurberufen gute Aussichten

Auch wenn die Coronakrise und der Krieg in der Ukraine die Industrie derzeit stark beuteln, sieht Ingo Rauhut, Arbeitsmarktexperte beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) weiterhin gute Jobchancen für Absolventinnen und Absolventen aller ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen. Im abi» Interview erklärt er, warum.

Mann und Frau schütteln sich die Hände.

abi» Herr Rauhut, wird die Coronakrise und der Krieg in der Ukraine die bisher sehr guten Arbeitsmarktchancen für Ingenieurinnen und Ingenieure etwas eintrüben?

Ingo Rauhut: Ich denke, wir kommen gut aus den Krisen heraus. Schon jetzt haben wir enorme Fachkräfteengpässe in den wichtigsten Ingenieurberufskategorien, die die Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen – Digitalisierung, Demografie, Dekarbonisierung – behindern. Wir prognostizieren aktuell, dass uns bis 2030 knapp 200.000 Ingenieurinnen und Ingenieure fehlen werden – und das ohne die verdreifachte Beschleunigung der Energiewende!

abi» Dafür müsste Deutschland aber ein starker Industriestandort trotz Globalisierung und zunehmender Digitalisierung bleiben.

Ingo Rauhut: Deutschland ist das Land der Erfinder und das wird so bleiben. Wir werden weiterhin exportorientiert sein, also hier vor Ort produzieren. Deutsche Produkte sind weltweit sehr gefragt. ‚Made in Germany‘ steht für Innovationskraft und Qualität. Klar müssen wir uns anstrengen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Umso wichtiger ist es, dass sich Studierende mit neuen Technologien und neuen Herausforderungen in der Industrie auseinandersetzen. IT-Wissen zum Beispiel sollte nicht nur in einem Informatikstudium erworben werden, um bei der Digitalisierung am Ball bleiben zu können.

abi» Welche Entwicklungen haben noch großen Einfluss auf die Ingenieurwissenschaften?

Ingo Rauhut: Ingenieurinnen und Ingenieure sind auch diejenigen, die die Energiewende mit Leben füllen. Das ist sehr spannend, weil man dabei tatsächlich eine gesellschaftliche Transformation mitgestaltet. Auch E-Mobilität krempelt derzeit eine komplette Branche und Disziplin um. Wohin das führt, weiß keiner. Der rasante technologische Fortschritt lässt Wissen immer schneller veralten. Morgen könnte schon etwas ganz anderes gefragt sein.

abi» Dann bleiben wir lieber im Hier und Jetzt. Wie sehen denn die aktuellen Arbeitsmarktzahlen aus?

Ingo Rauhut: Wir stellen seit Jahren fest, dass wir in allen Ingenieurberufen ausreichend Jobangebote haben. Im ersten Quartal 2022 erreichte die Gesamtzahl an offenen Stellen in den Ingenieur- und Informatikberufen einen Stand von 151.300 – Rekordwert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2011. Aktuell sind Bauingenieurinnen und -ingenieure sowie Leute in den Informatikberufen sehr gefragt, mit 44.660 beziehungsweise 51.970 offenen Stellen. Insgesamt stehen derzeit 151.300 offene Stellen 36.150 Arbeitslosen gegenüber. Ein großer Teil davon ist auf die sogenannte Sucharbeitslosigkeit zurückzuführen, also auf die kurze Zeitspanne beim Wechsel von einer Stelle zur nächsten.

abi» Um das Ganze in Relation zu setzen: Wie viele Ingenieurinnen und Ingenieure gibt es denn überhaupt in Deutschland?

Ingo Rauhut: Insgesamt gibt es etwa eine Million sozialversicherungspflichtige Ingenieurinnen und Ingenieure. Bezüglich der Freiberufler haben wir keine aktuellen Zahlen. Der Mikrozensus gibt für 2017 circa 163.000 an. In den Bereichen Architektur und Informatik gibt es die meisten Selbstständigen. Die Frauenquote im Ingenieurbereich liegt bei etwa 18 Prozent, sie steigt von Jahr zu Jahr, wenn auch langsam, an.

Der Experte

Ein Foto von Ingo Rauhut Ein Foto von Ingo Rauhut

Ingo Rauhut ist Arbeitsmarktexperte beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI).

Die ingenieurwissenschaftlichen Bereiche im Überblick und verschiedene Studienmöglichkeiten stellt abi» im Studienbereich „Ingenieurwissenschaften” vor. Mögliche berufliche Anwendungs­fälle und Karrierewege sind im Bereich Berufspraxis zu finden.