Abitur abbrechen:
Alternativen für das Abitur
Fehlender Praxisbezug, geringe Motivation oder Schicksalsschläge – es gibt die unterschiedlichsten Ursachen, weshalb Schülerinnen und Schüler vor dem Erwerb der Hochschulreife das Abitur abbrechen und die Schule verlassen. Egal aus welchem Grund: Die Wege für die Zeit nach dem Schulabbruch sind vielfältig.
„Dass Schülerinnen und Schüler während der Sekundarstufe II die Schule verlassen, kommt recht häufig vor“, berichtet Jennifer Graf-Schabram, Berufsberaterin in der Agentur für Arbeit Kassel. „Gemeinsam mit ihnen besprechen wir dann, wie es weitergehen soll.“ Wenn jemand noch gar nicht weiß, was sie oder er machen möchte, empfiehlt sich zum Beispiel ein Freiwilliges Soziales, Ökologisches oder Kulturelles Jahr oder der Bundesfreiwilligendienst. Solch ein Einsatz ist auch im Ausland möglich. „Eine überbrückende Tätigkeit hilft zum einen dabei, sich zu orientieren, wertet aber auch den Lebenslauf auf“, erklärt die Berufsberaterin. „Außerdem werden die jungen Leute in dem Jahr reifer und bekommen Ideen für ihre Zukunftsgestaltung.“
Wer das Abitur abbrechen, aber direkt weitermachen möchte, kann eine Ausbildung in Erwägung ziehen. Oft fehlt allerdings die Vorstellung, welcher Beruf infrage kommt. „Ist dies der Fall, erstellen wir eine Potenzialanalyse zu den Stärken, den Fähigkeiten und den Wünschen der Schülerinnen oder Schüler“, erklärt Jennifer Graf-Schabram. „Dadurch finden sie heraus, was sie gut können und wohin sie wollen.“ Auch die Einstiegsqualifizierung (EQ) kann ein guter Einstieg sein, wenn man eine Ausbildung machen möchte, aber keinen Abschluss hat oder aus anderen Gründen noch nicht auf eine reguläre Ausbildung vorbereitet ist.
Ein weiteres hilfreiches Instrument für junge Menschen, die noch Orientierung suchen, ist zum Beispiel Check-U, das Selbsterkundungstool der Bundesagentur für Arbeit. Ist ein Berufs- oder Studienfeld gefunden, bieten sich Seiten wie BERUFENET oder BERUFE.TV für die weitere Recherche nach passenden Berufen an. „Ein Beratungsgespräch reicht in der Regel nicht aus“, betont Jennifer Graf-Schabram. „Das Ganze ist ein Prozess, der Zeit in Anspruch nimmt.“
Ist ein passender Beruf gefunden, sollten sich Bewerberinnen und Bewerber für das Vorstellungsgespräch bei einem potenziellen Ausbildungsbetrieb überlegen, wie sie den Abbruch begründen. „Das kann der Vorzug der Praxis gegenüber der Theorie sein oder auch die Notwendigkeit, Geld zu verdienen – etwa, weil die Bewerberinnen beziehungsweise die Bewerber nicht mehr finanziell vom Elternhaus unterstützt werden“, weiß die Berufsberaterin. Angst vor dem Abitur sollte lieber nicht als Grund genannt werden, rät sie.
Wer die Hochschulreife doch noch machen möchte, kann dies auch im Rahmen einer Ausbildung tun und zusammen mit dem Abschluss der Berufsausbildung auch die Fachhochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife erlangen. Wie und wo das genau möglich ist, ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. In Baden-Württemberg beispielsweise erhält man die Fachhochschulreife je nach gewähltem Ausbildungsberuf etwa durch Zusatzunterricht an der Berufsschule oder am dualen Berufskolleg.
Je nach Bundesland kann man die allgemeine, die fachgebundene oder die Fachhochschulreife aber auch an der Beruflichen Oberschule (BOS) oder der Fachoberschule (FOS) nachholen. „Oft haben diese Schulen einen fachlichen Schwerpunkt, zum Beispiel Elektrotechnik, Erziehung oder IT. Es ist also sinnvoll, sich Gedanken über eine Fachrichtung zu machen, bevor man sich für eine berufliche Schule entscheidet.“ Findet sich in der Umgebung keine passende Schule, lohnt sich ein Blick in ein anderes Bundesland.
Wer seine Ausbildung bereits abgeschlossen hat und im Beruf steht, kann beispielsweise an Abendgymnasien das Abitur nachholen. „Das ist aber wegen der Doppelbelastung nicht für alle geeignet“, gibt Jennifer Graf-Schabram zu bedenken. Voraussetzung dafür ist ein Realschulabschluss und mindestens drei Jahre Berufserfahrung.
Aber auch ein Studium ohne Hochschulreife ist möglich. Die Voraussetzungen sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich, meist wird zumindest ein Realschulabschluss und Berufserfahrung verlangt. „An manchen Hochschulen müssen Interessenten zudem einen Eignungstest durchlaufen oder werden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen“, erläutert Jennifer Graf-Schabram.
„Manche junge Menschen brauchen nach einem Schulabbruch Zeit, um zu erkennen, welchen Weg sie gehen wollen“, fasst die Beraterin zusammen. „Diese Zeit sollten sie sich dann auch nehmen, das ist vollkommen in Ordnung.“ Auf jeden Fall sollten sich Schülerinnen und Schüler der Oberstufe, die einen Schulabgang vor dem Abitur in Erwägung ziehen, beraten lassen, empfiehlt die Expertin. Denn oft ist über Umwege doch noch ein höherer Schulabschluss möglich.
BERUFENET
Das Netzwerk für Berufe der Bundesagentur für Arbeit bietet über 3.000 aktuelle Berufsbeschreibungen in Text und Bild.
berufenet.arbeitsagentur.de
studienwahl.de
Das Portal der Bundesagentur für Arbeit und der Stiftung für Hochschulzulassung bietet umfangreiche Informationen rund um die Studienorientierung und das Studium.
studienwahl.de
BERUFE.TV
Das Filmportal der Bundesagentur für Arbeit listet rund 350 Filme über Ausbildungsberufe und Studiengänge.
berufe.tv
CHECK-U
Mit dem Erkundungstool Check-U findest du heraus, welche Ausbildungsberufe und Studienfelder besonders gut zu deinen Stärken und Interessen passen.
check-u.de
Deutscher Bildungsserver
Ein Informationsportal zum Bildungssystem in Deutschland von Bund und Ländern
www.bildungsserver.de
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