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Stille: Eine friedliche Folter

Angehende Bootsbauerin Johanna im abi» Blog

Autor:
Johanna

Rubrik:
ausbildung

03.06.2025

Ich sitze gerade im Bus auf dem Weg nach Hannover (dieses Mal habe ich einen Grund, nach Hannover zu fahren! Hihi) und befinde mich inmitten meiner Stille. Oder eher in meiner Realität, denn leise ist es hier nicht gerade.

Heute ist der Tag ein bisschen anders, denn ich beschalle mich nicht mit Musik. Es hat mich Mühe gekostet, meine Kabeldinger mal in den Tiefen meiner Tasche zu lassen, um stattdessen der echten Welt zu begegnen. Musik versetzt für mich die Umwelt in die jeweilige Stimmung der Melodie, die ich gerade höre. Es ich ein Ausweich-Mechanismus, den ich entwickelt habe, um mein Gedankenkarussell zu verhindern oder Aufgaben vor mir herzuschieben, um die ich mich in diesem Moment kümmern könnte. Stattdessen schalte ich mich stumm und die Musik laut.

Es ist nicht einfach, gegen den Drang des einfachen Griffs in die Tasche anzukämpfen. Insbesondere auf dieser Reise, denn meine Fahrt dauert – nein, nicht drei – sondern 5,5 Stunden! Die Deutsche Bahn testet langsam wirklich meine Grenzen.

Jedenfalls bin ich gerade bei Stunde vier und habe bis jetzt noch keine Musik gehört. Ich habe aufmerksam nach draußen geschaut, die Bäume bewusst bewundert und verweilte einfach in der Gegenwart. Das ist total ungewöhnlich für mich: dieses völlige Hier-Sein. Seit einiger Zeit versuche ich meinen Musikkonsum zu verringern. Es macht mich so nervös, dieses Dröhnen meiner Lieblingslieder in den Ohren zu haben, während ich gedanklich bei einer anderen Sache bin: Schleifen, Polieren, Fahrradfahren, Sitzen. Egal was. Aber irgendwie will ich mehr davon. Dieses geschenkte Dopamin.

Jetzt gerade habe ich auch den Drang, der Musik zu lauschen. Obwohl ich bereits zahlreiche Geräusche um mich herumhabe: das Rauschen der Bahn, das Quasseln der Bahngäste, allein mein Atmen. Warum reicht das nicht aus?

Tut es aber, es ist mehr als genug. Sowohl unangenehm als auch therapeutisch sind diese Laute der Realität. Es sorgt in mir endlich mal für Bewegung und lässt mich nicht so erstarren wie die Musik. Gerade eben, zum ersten Mal, fing ich an, meinen ersten Substack zu schreiben, was ich schon seit einiger Zeit beginnen wollte. Und ich habe sogar gerade Lust bekommen, mal Mathe zu üben; einfach so.

Alles ist viel echter ohne Musik. Ich werde weiterhin versuchen, meine Musik-Stöpsel in den Tiefen meiner Tasche zu lassen und mich stattdessen im Mut üben, für das Drehen der Welt zu leben.