zum Inhalt

Freunde fürs Leben

Porträt von Anna

Autor:
Anna

Rubrik:
orientieren

18.04.2024

Ich war letztens für ein Wochenende in London. Dort habe ich meine beiden besten Freundinnen aus der Schulzeit getroffen. Beide habe ich seit einem halben Jahr, seit ich nach Irland für mein Jahr als Au-pair geflogen bin, nicht mehr gesehen. 

Wenn man so darüber nachdenkt, war unsere Begegnung ein bisschen seltsam. Wir alle haben drei komplett verschiedene Leben. Eine studiert, die andere macht ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) und ich arbeite als Au-pair in Irland. Niemand kennt den Alltag der anderen, die Personen, die einem wichtig geworden sind, die Schwierigkeiten, vor denen man steht, die Sachen, die man letzte Woche gemacht hat. Und als wir uns wiedergetroffen haben, hat es sich trotzdem angefühlt wie früher, als wäre alles wie immer. Als wären wir mittlerweile nicht drei andere Personen, gewachsen an den neuen Herausforderungen im Leben. Als wären wir noch in der Schule und unser größtes Problem sind die Mathehausaufgaben.

Unser Wochenende in London ist viel zu schnell vergangen. Ich hatte mich ewig lange darauf gefreut und dann war zwischen „Hallo“ und „Tschüss“ die Zeit so kurz. Eindeutig nicht genug, um ein halbes Jahr Gesprächsstoff aufzuholen. Wir wussten gar nicht, wo genau wir eigentlich anfangen sollten. FaceTime ist eben doch nicht vergleichbar mit einem realen Gespräch.

Zurück bei meiner Gastfamilie in Irland zu sein, war dann irgendwie total komisch. Ich habe direkt wieder mit Arbeiten angefangen, hing aber irgendwie noch halb in der Vergangenheit. Es war wie eine Kollision von meinen beiden Welten, die ich beide liebe, die sich aber gegenseitig nicht kennen.

Meine Gastmutter hatte sich total für mich gefreut, als ich ihr erzählt habe, dass sich unser Treffen angefühlt hat, als wäre keine Zeit vergangen. Sie meinte, das heißt, die Freundschaft wäre für immer. Weil man die andere Person mag und versteht, was sie im Kern ausmacht – und nicht nur durch eine gleiche Lebenssituation miteinander verbunden ist. Ihre Erklärung klang auf jeden Fall plausibel. Ich glaube, sie hat recht. Ich wünsche mir, sie hat recht.