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Master live: Optimierungswahn

Ein Porträt-Foto von Bo

Autor:
Bo

Rubrik:
studium

30.04.2020

Social Media Nutzer werden aktuell mit einer globalen Bewegung konfrontiert – dem Optimierungswahn. Aufgrund der vermehrten Zeit in den heimischen vier Wänden und der damit einhergehenden Langeweile ist der Trend der Selbstoptimierung überall. Egal ob es um die eigenen Backkünste, um schweißtreibende Workouts oder gar um das Erlernen einer neuen Sprache geht – nichts ist vor der Online-Community sicher. Wenn ich mir so über Social Media den Alltag von Freunden, Bekannten oder Influencern anschaue, überkommt mich doch glatt das schlechte Gewissen. Was habe ich im letzten Monat geschafft, außer diverse Serien zu schauen und mit dem neuen Alltag zurecht zu kommen? Ehrlich gesagt nicht einmal ansatzweise so viel wie alle diese Quarantäne-Menschen um mich herum. Statt zwei Semester früher mit der Konzeption meiner Masterarbeit zu beginnen, habe ich viel gelesen, noch mehr nachgedacht und viel gekocht. Das ein oder andere Back- und Marmeladenprojekt bin ich tatsächlich auch angegangen. Hätte ich im Verlauf des letzten Monats mehr schaffen müssen? Warum habe ich nicht jenes und dieses getan? Warum habe ich die Zeit nicht genutzt, um das Beste aus mir herauszuholen. Liegt es an mir? Bin ich lethargisch oder gar faul? Ist es überhaupt realistisch eine optimierte Version meiner selbst zu werden, nur weil ich mehr Zeit habe? Alle diese Fragen können bestimmt teilweise oder ganz bejaht werden. Viel wichtiger jedoch ist die Erkenntnis, dass man sich nicht mit anderen vergleichen und sich nicht selbst zu viel Druck machen sollte. Schließlich konnte ich schon vor Corona backen und habe mir auch vor diesen Wochen zu Hause immer wieder Projekte vorgenommen und durchgeführt. Hätte es ein explizites Ziel gegeben, dann wäre jetzt der beste Zeitpunkt gewesen, dieses anzugehen. Hatte ich jedoch einfach nicht. Es ist völlig in Ordnung, auch mal einen Tag nur auf dem Sofa zu verbringen und aus dieser Zeit ohne ein neues Hobby rauszugehen. Schließlich verlangt diese Zeit sowieso viel von uns ab. Fest steht: Wir lernen viel über uns selbst und üben uns in positiven Eigenschaften wie zum Beispiel Geduld, Resilienz, Nächstenliebe und Optimismus.