Rubrik:
orientieren
28.06.2021
Schülerleben live: Schulende
Am 22. April hatte ich meinen letzten Schultag, am 21. Mai meine letzte Abiturprüfung. Das war’s. Ich gehe nie wieder in die Schule, muss nie wieder ganze Wochenenden lang für eine Biologie-Klausur lernen und niemand wird mich je wieder dazu bringen, Sartre auf Französisch zu lesen.
Aber das bedeutet auch, dass ich nie wieder mit meinen Freundinnen in unserer Lieblingsecke auf dem Parkplatz Karten spielen werde, dass ich nie wieder meinem kleinen Bruder sein Frühstück in der Schule hinterher tragen muss und nie wieder nach der verhassten siebten Stunde rennen muss, um irgendwie doch noch meinen Bus zu bekommen.
Durch Corona kommt mir das alles surrealer vor als es ohne Masken, Quarantäne und geteilte Klassen wahrscheinlich ohnehin schon gewesen wäre. In allen Fächern, in denen ich keine Prüfungen hatte, war meine letzte Stunde online und mein einziger Abschied war das dumpfe Geräusch, das mein Laptop von sich gegeben hat, wenn ich eine Audiokonferenz verlassen habe.
Ich bin zwar wirklich froh, diesen Abschnitt meines Lebens hinter mich gebracht zu haben, da mir der ständige Leistungsdruck nicht gut getan hat Aber gleichzeitig macht es mir Angst. Womit fülle ich jetzt 16 wache Stunden? Vor allem bin ich nervös, weil ich fast all meine Freundinnen durch die Schule kenne. Wenn ich diese Menschen jetzt nicht mehr sehe, uns Klausurenphasen und Tafelbilder nicht mehr zusammenschweißen, werde ich in ein paar Monaten noch Kontakt zu ihnen haben? Auch von ihnen konnte ich mich durch Distanz- und Wechselunterricht und Beschränkungen im privaten Bereich kaum verabschieden.
Es kommt mir vor, als ob man mich einfach aus meiner Lebensrealität gerissen und in ein Wartezimmer gesetzt hätte, in der Erwartung, dass ich mich irgendwie zurechtfinde und weiß wohin ich gehe, wenn ich dieses Wartezimmer verlasse. Im Moment nutze ich die Ruhe erstmal, um zu schlafen und Netflix zu schauen – in der Hoffnung, dass mir dabei schon einfällt wohin ich gehen will.