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Schülerleben live: Zurück zu den Wurzeln

Ein Porträt-Foto von Maril

Autor:
Maril

Rubrik:
orientieren

30.03.2020

Im Haus meiner Familie gibt es viele verstaubte Ecken und dunkle Winkel, aus denen immer wieder etwas Neues bzw. für mich Neues, aber eigentlich Altes zutage gefördert werden kann. Das Haus ist zwar nicht groß, aber vollgestopft mit interessanten Dingen: Mitbringsel und Souvenirs von Reisen; alte Möbelstücke und Dekorationsgegenstände aus Antiquitätenläden und Ateliers; dicke, vergilbte Fotoalben; Erbstücke und vor allem ganz viele Bücher. Meine Eltern sind viel gereist und haben meine Schwester und mich fast immer mitgenommen. Es ist also kein Wunder, dass sich da einiges an wunderlichem Kram – wie es meine Mutter auf ihre gewohnt wortgewandte Art zusammenfasst – angesammelt hat. Man findet bei uns keinen großen Fernseher im Wohnzimmer oder ein Arbeitszimmer mit Computer. Seit meine Schwester ausgezogen ist und studiert, bin ich stolze Besitzerin des einzigen Handys in unserem Haushalt und mein Vater nutzt einen Laptop. Wir nutzen noch Plattenspieler sowie Kassetten- und Videorekorder. Alles in allem könnte man unser Haus als vintage bezeichnen. Meine Freundin taufte uns „die Retro-Familie“ und eigentlich hat sie damit gar nicht mal so unrecht.
Ich gebe zu, dass ich gerne und viel in unserem Haus herumschmökere. Ich blättere die alten Fotoalben durch, durchforste die Bücherregale auf der Suche nach einem interessanten Buch und wühle mich auf dem Dachboden durch Kisten mit alten Klamotten, Dokumenten, Erinnerungsstücken und Krimskrams oder – wer hätte es gedacht – Büchern. Ich habe in meiner Kindheit Stunden damit zugebracht. Es war wie eine eigene kleine Welt, in die ich mich oft zurückgezogen habe. Dort habe ich lesend, malend, nachdenkend oder schreibend Stunden über Stunden, ganze Nachmittage zugebracht – und nichts davon bereue ich. Man könnte es als Zeitverschwendung bezeichnen, sich immer und immer wieder in diesem alten Zeug zu verlieren. Natürlich hat es nicht unbedingt einen Sinn, sich alte Fotoalben anzuschauen, die die Erinnerungsfotos von Momenten enthalten, bei denen man gar nicht selbst dabei war oder durch die vergilbten Seiten alter, sich in seine Bestandteile auflösender Romane in altdeutscher Schrift zu blättern. Warum verbringe ich trotzdem immer noch so gern Zeit in diesen alten, staubigen Ecken? Für mich ist genau das meine Heimat, mein Rückzugsort. Fremde Erinnerungen wurden zu meinen Erinnerungen. Alte Gegenstände, die ich als Kind als etwas Neues entdeckt habe, sind nun wieder alte Gegenstände geworden, da sie nun auch meine Erinnerung in sich tragen. Es riecht ein wenig muffig, nach Staub und altem Papier, nach Vergangenem und jetzt, da ich mit meinen 18 Jahren wieder einmal ziellos durch das Haus streife und all das betrachte, riecht es irgendwie auch nach mir.