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Abschiede

Ein Porträt-Foto von Lina

Autor:
Lina

Rubrik:
orientieren

24.07.2023

Ich mag Verabschiedungen gar nicht. Nicht nur die „Tschüss-auf-Wiedersehen!“-Verabschiedungen, obwohl ich die auch ganz schön unangenehm finde. Erst einmal das Problem, den richtigen Zeitpunkt für eine Verabschiedung zu finden; am besten einen, bei dem man dann nicht nach dem Abschied noch zwei Stunden weiterquatscht. Dann natürlich der Abschied selbst – umarmt man sich? Falls ja, Kopf auf die linke oder rechte Seite? Eigentlich egal, aber wenn es schiefgeht, gibt man sich im schlimmsten Fall eine Kopfnuss, was zumindest ich lieber vermeide. Wenn man sich aber nicht umarmt, was macht man dann stattdessen? Einfach winken? Am unangenehmsten ist es natürlich, wenn eine Person winkt, und die andere eine Umarmung initiiert – mein persönliches Horrorszenario. Und sobald dieser hochkomplizierte Vorgang ohne größere Peinlichkeiten vorüber ist, gibt es noch ein weiteres Problem, das leider allzu oft vorkommt: Man sieht sich nach der Verabschiedung noch mal.

Da ist man gerade froh, einigermaßen würdevoll aus so einer sozialen Situation entkommen zu sein, und dann sieht man die Person an der Supermarktkasse wieder. Oder in der Straßenbahn. Oder auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Und so geht der Teufelskreis schon wieder los – ansprechen, ignorieren, zuwinken? Am liebsten könnte ich in solchen Situationen Gedanken lesen, um schon zu wissen, was die andere Person vorhat, um mich dann einfach adäquat verhalten zu können.

Tatsächlich meine ich aber gar nicht primär diese Abschiede – auch wenn, wie hoffentlich rübergekommen ist, auch diese Abschiede nicht gerade ein Hobby meinerseits sind. Was ich eigentlich meine, sind die Art von Abschieden, wo man ganz sicher weiß, dass man die Person danach nicht mehr an der Supermarktkasse sieht. Oder in der Straßenbahn. Oder auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Eine meiner besten Freundinnen ist vor ein paar Tagen umgezogen, und zwar nach Budapest. Budapest! Ganz schön weit weg, vor allem, wenn man das bisherige Jahr keine acht Minuten auseinander gewohnt hat, und das Jahr davor sich sogar ein Haus geteilt hat. Tja, und jetzt ist sie eben weg, und der Abschied war so traurig, dass ich gar keine Chance hatte, darüber zu verzweifeln, ob ich meinen Kopf jetzt links oder rechts bei der Umarmung habe. Ich hätte es nicht einmal schlimm gefunden, eine Kopfnuss zu kassieren.

Das Einzige, was mich gerade ein wenig aufheitert: Abschied nehmen gibt die Chance auf ein Wiedersehen – und darauf freue ich mich schon sehr!