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Bachelor live: Ein Prozess

Bloggerin Lee-Ceshia

Autor:
Lee-Ceshia

Rubrik:
studium

25.06.2021

Als ich letztens mit einer Freundin telefonierte, stellten wir uns folgende Frage: „Wann hat es angefangen, dass wir nicht mehr den Prozess, sondern nur noch das Ergebnis zu schätzen wissen?“ Natürlich war das ein Vorwurf an uns, an unsere Generation und auch an andere Punkte in unserem Leben. Warum wollen wir schneller, höher und weiter kommen? Ist das wirklich noch eine Kinderkrankheit von Social Media oder steckt mehr dahinter? Als ich diese Frage - oder auch Feststellung - auf mich wirken ließ, bemerkte ich das Hamsterrad. Manchmal lese ich Bücher, um gesagt zu haben, dass ich sie gelesen habe und nicht, weil mich das Thema tierisch interessiert. Ich gebe es zu und es ist falsch. Und es saugt Energie, wie ich merke.

Auch in anderen Lebensbereichen entdecke ich das sehr oft. Bei meiner Arbeit denke ich beispielsweise eher an das Endergebnis als an die Stunden, die ich in das Projekt stecke. Der einzige Bereich in dem ich nicht nur danach strebe, ein Ergebnis in der Hand zu haben, ist mein Studium. Ich liebe die Seminare und Vorlesungen und sauge neues Wissen auf. Auch wenn es selbst da Momente gibt –  etwa wenn ich 100 Seiten zu lesen habe –  in denen ich mich frage: „Wann, um Himmels willen, ist dieser Text vorbei?“. Doch im Nachhinein merke ich meistens, dass ich während des Lesens einige Aha-Momente hatte und dadurch die Aufgaben aus der Vorlesung mit den Ergebnissen des Textes vergleichen und in Relation setzen kann.

Meine Freundin meint, dass wir eine sehr kurzlebige Gesellschaft geworden sind und uns zehn Sekunden TikTok-Videos spannender erscheinen, wenn sie am Ende ein cooles Ergebnis abliefern. Sie sagt auch, dass wir nicht so aufmerksam bei den Sachen sind, und das spüre ich auch. Mein Drang, schnell mit den Aufgaben durch zu sein, ist oft größer als die Aufmerksamkeit auf das, was ich in dem Moment eigentlich mache. Wenn ich zurück an die Zeit bei meiner Großmutter als Kind denke, fällt mir auf, dass ich damals häufiger eine Sache von Anfang bis Ende durchführte. Wir haben uns etwa überlegt, was wir essen wollen und uns dann eine Einkaufsliste geschrieben. Im Anschluss gingen wir einkaufen und ernteten Erbsen aus dem Garten. Danach waren wir in der Küche und haben alles genüsslich, mit hungrigen Gesichtern, zubereitet. Es war ein Traum. Wenn ich jetzt daran denke, koche ich, höre nebenbei einen Podcast und versuche möglichst noch meinen restlichen Tag zu planen. So viele Dinge gleichzeitig.

Meine These ist, dass wir mit zu vielen Prozessen gleichzeitig beschäftigt sind. Oft hoffen wir, alles zur selben Zeit konsumieren und wahrnehmen zu können. Doch danach fühlen wir uns erschöpft, sodass wir am Ende eher froh sind, dass der Prozess vorbei ist. Ich möchte lernen, den Prozess zu schätzen und zu genießen. Und wenn er mal einen Umweg macht, dann gehe ich den Weg mit. Zumindest habe ich es mir vorgenommen.