Rubrik:
studium
15.03.2021
Autor:
Conny
Rubrik:
studium
15.03.2021
Vor zwei Jahren verlor ich auf einem Jahrmarkt einmal meinen Hausschlüssel. Das war für mich das erste Mal, dass mir etwas in der Art passierte. Obwohl ich diese Momente gut kenne, in denen man sich denkt „Oh Gott, wo ist mein Handy / Geldbeutel / Schlüssel…“, blieb es zum Glück bei diesem einen Mal. Damals folgten diverse Gänge zum Fundbüro, dem Jahrmarktbetreiber und schlussendlich zum Schlüsseldienst. Es wurde nichts gefunden.
Als ich vor Kurzem in München in die U-Bahn einstieg, bemerkte ich in der hinteren Ecke des Wagons eine verwaiste schwarze Handtasche. Eine Reihe weiter saß eine Frau, die ich fragte, ob ihr diese Tasche gehören würde, was sie verneinte. Ich setze mich also neben diese Tasche und fuhr ein paar Stationen mit ihr mit. Ein wenig kam ich mir vor wie ihr Beschützer, denn ich nahm mir vor, sie mitzunehmen und im Fundbüro abzugeben. Mir kam der Film „Greta“ in den Sinn, in welchem eine junge Frau ebenfalls eine Handtasche in der Bahn entdeckt und mit nach Hause nimmt. In diesem Fall nahm sie selbst Kontakt auf zu der Besitzerin, die sich im Verlauf des Films als psychopathische Stalkerin herausstellt. Deshalb, bloß nicht hinein schauen, einfach abgeben!
Die Tasche war recht schwer als ich sie nach Hause trug, wo ich mich erstmal erfrischen wollte, bevor ich zum nah gelegenen Fundbüro gehen würde. Als ich ankam war gerade die Mutter von meinem Mitbewohner zu Besuch. Sie riet mir dazu, lieber zur Polizei zu gehen. Falls Geld oder ein Ausweis in der Taschen seien, wäre ich da auf der sicheren Seite, dass mir gegenüber keine Anschuldigungen erhoben werden können. Die nächste Polizeistation war nicht weit weg. Also machte ich mit der fremden Damenhandtasche einen Spaziergang zum Revier.
Im Vorraum der Station schauten die Fahndungsfotos gesuchter Verbrecher auf mich herab. Dann wurde ich eingelassen. Der Beamte, der sich meinem Fall annahm, klärte die Sache ganz pragmatisch. Tasche auf, Portemonnaie raus, Ausweis da, Geld da. Danke, wir rufen die Dame an. Ich hätte gesetzlich Anspruch auf fünf Prozent Finderlohn, was ich aber dankend ablehnte. Nach drei Minuten war ich wieder draußen. Am Ende war ich insgeheim erleichtert, keine Bombe mit mir herum geschleppt zu haben. Man hat seine eigene Fantasie ja nie ganz unter Kontrolle.
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