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Bachelor live: Letzte Lieder und traumatische Ereignisse

Anna

Autor:
Anna

Rubrik:
studium

14.07.2021

Habt ihr euch schon mal Gedanken gemacht, welches Lied oder welche Melodie euer Leben am besten zusammenfassen würde?

Ich hatte bisher nie über diese Frage nachgedacht, bis ich in einem Seminar auf das Projekt „Letzte Lieder“ gestoßen bin, für das der Künstler Stefan Weiller sterbende Menschen im Hospiz nach ihrer Lebensgeschichte und ihrem „letzten“, zusammenfassenden Lied befragt hat. Daraus entstanden Videos, in denen er erst die Lebensgeschichte der Person erzählt und anschließend das ausgewählte Lied vorspielt. Das Projekt hat mich sehr berührt und zum Nachdenken gebracht – auch darüber, was mir eigentlich in meinem Leben wichtig ist. Ich stelle es mir jedenfalls gar nicht so einfach vor, ein Lied zu finden, das dem ganzen Leben gerecht wird.

Überhaupt kam ich letztes Wochenende in eine sehr nachdenkliche Stimmung, denn besagtes Blockseminar zu den Themen Tod, Trauer und Trauma war eine sehr intensive Erfahrung.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der Vortrag einer Kommilitonin, die früher in der Inobhutnahme gearbeitet hat: Wenn Kinder oder Jugendliche in ihrer Familie akut gefährdet sind oder als minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland kommen, werden sie in solchen Einrichtungen vorübergehend aufgenommen. Dabei haben wir auch (anonymisierte) Fallbeispiele von Kindern besprochen. Ich fand es unfassbar, was manche Kinder schon durchlebt haben, wenn sie in einer solchen Einrichtung landen. Besonders auf der Flucht oder durch Gewalt in der Familie machen viele dieser Kinder traumatische Erfahrungen - vom Tod der eigenen Freunde bis hin zu sexuellen Misshandlungen. In solchen Momenten kann ich einfach nur unendlich dankbar für mein eigenes privilegiertes Leben sein.

Beim Besprechen der Fallbeispiele war unserer Dozentin wichtig, dass Kinder, die Schlimmes erlebt haben, manchmal scheinbar unverständliches oder aggressives Verhalten zeigen. Dafür gibt es jedoch sehr wohl einen guten Grund, der in der traumatischen Erfahrung des Kindes liegt. Ein Kind, dem der Vater das Schlüsselbein gebrochen hat, könnte zum Beispiel anfangen, wild um sich zu treten, sobald man es beim Jacke anziehen an der Schulter berührt.

Aus dem Seminar habe ich mitgenommen, wie viel Sicherheit man im Umgang mit traumatisierten Menschen vermitteln sollte – aber auch, dass man mit schwersten traumatischen Erfahrungen umgehen und weiterleben lernen kann.