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Gap Year: Bufdi – los geht's!

Schatten von Bloggerin Melissa.

Autor:
Melissa

Rubrik:
orientieren

29.09.2022

Diese Woche habe ich meinen Freiwilligendienst in einer Seniorentagespflege begonnen. Ich muss ehrlich sagen, kurz bevor ich angefangen habe, war ich unsicher, ob es wirklich das Richtige für mich ist. 

Mir schwirrten tausend Fragen durch den Kopf: Gefällt mir die Einrichtung und macht mir die Arbeit wirklich Spaß? Sind die Kollegen nett? Vergeude ich gerade ein Jahr meines Lebens und wäre es nicht besser gewesen, direkt zu studieren? Was ist, wenn ich mich nicht wohlfühle? Denn obwohl ich letztes Jahr ein Mal probeweise dort gearbeitet habe, war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher, ob meine Entscheidung wirklich die richtige war. In der Nacht vor meinem ersten Tag war ich sehr aufgeregt und konnte kaum schlafen. 

Nach gut einer Woche kann ich aber sagen, dass ich mir kaum hätte Sorgen machen müssen. Die Arbeit macht wirklich Spaß und oft habe ich die Gelegenheit, die Gäste kennenzulernen und ein Weilchen mit ihnen zu reden. Besonders gerne mag ich die Gespräche zur Mittagsruhe, wenn nur wenige Gäste wach sind und man in kleiner Runde spielen kann. Dabei erzählt der ein oder andere Geschichten aus der Vergangenheit oder holt so manchen Zaubertrick heraus, der in jahrelangem Training geübt wurde. Dagegen haben wir jungen Leute häufig keine Chance, sodass wir im Spiel häufig gnadenlos unterlegen sind.

Andere Gespräche hingegen bringen mich zum Grübeln. Auch wenn es immer interessant ist, über die Vergangenheit zu sprechen, finde ich es gleichzeitig erschreckend, wie viel die meisten Menschen erlebt und erlitten haben. Ob im Krieg, durch Verluste oder Krankheit – jeder Einzelne trägt seine Sorgen oft auch im Verborgenen mit sich. Für mich ist das ähnlich wie das Erkunden eines verwinkelten Labyrinths: Am Anfang weiß ich nie, wer mich erwartet und was derjenige wohl schon erlebt hat. Mit der Zeit darf ich manche Gäste aber näher kennenlernen. Sie zeigen mir die schönen Ecken in ihrem Labyrinth, aber auch die düsteren, die oft weit in der Vergangenheit liegen und daher fast überwuchert sind. Oder die offen klaffenden Löcher in der Außenwand ihres Labyrinths, die dort von einschneidenden Erlebnissen hineingerissen wurden. Während manche Wunden heilen, werden andere wohl immer offen bleiben.

Jedes Mal, wenn ich mehr über einen Gast erfahre, öffnen sich neue Wege und ich verstehe den Kern dieses Menschen etwas besser, wenn auch nie vollkommen. Denn so hat wohl jeder seine Ecken, die nur für ihn bestimmt sind und die ich niemals erkunden werde. Nach dieser einen Woche freue ich mich auf das nächste Jahr. Es wird hart werden. Es wird gute und schlechte Tage geben. Aber ich werde lernen, besser zu verstehen. Lernen, das zu schätzen, was ich habe. Lernen, was in den Menschen vorgeht. Und das wird zweifellos ein Abenteuer.