Rubrik:
studium
20.12.2019
Autor:
Ferdinand
Rubrik:
studium
20.12.2019
Nicht wenige meiner Freunde fliegen trotz Klimabedenken ab und an, sei das aus Kosten- oder Geldgründen. Klar, selbst bin ich kein 1A Klimaschützer. Ein Verkehrsmittel ziehe ich dem Flugzeug aber doch immer vor: Den Nachtzug. Während die Deutsche Bahn 2016 sämtliche Nachtzüge eingestellt hat und auch in Zeiten des Klimawandels keine Gründe sieht, ihre Entscheidung zu revidieren, sieht die Situation in Österreich schon deutlich anders aus: Der Nightjet der ÖBB bringt 1,4 Millionen Menschen pro Jahr über Nacht ans Ziel ihrer Wahl. Und wer gegen Abend einen Blick auf die Abfahrtstafel des Wiener Hauptbahnhofs wirft, stellt fest, dass hier noch ganz andere Züge unterwegs sind. Und so passiert es, dass ich nach zwölf Monaten Praktika meine studentische Freiheit einmal wieder voll ausnutze und mich irgendwie spontan im Nachtzug nach Bukarest wiederfinde. Mein Zuhause für die nächsten 19 Stunden teile ich mir mit einem Rumänen und einer älteren Dame. Und dann ist da noch ein anderer Studierender, der seit Kurzem in Wien studiert. Alle sitzen wir zusammen im Abteil, in Mantel und Handschuhen. Man kann fast seinen eigenen Atem sehen. In den Abteilen neben uns sitzt eine Gruppe Wiener Germanisten, die auf dem Weg nach Timisoara sind, wo sie selbstverfasste Texte lesen werden. Aufgrund der unterschiedlichen Stromspannungen kann der rumänische Wagen nicht in Österreich beheizt werden. Ab der ungarischen Grenze würde es vielleicht wärmer werden, meint der Schaffner. Man kommt ins Gespräch. Der Rumäne arbeitet als Techniker auf Kreuzfahrtschiffen, jedes Jahr eine andere Route. Nach Rumänien fährt er regelmäßig mit dem Zug, der nächste Flughafen ist viel zu weit von seinem Zuhause entfernt. Der andere Studierende war während seines Bachelors als Erasmusstudierender in Bukarest und besucht nun nach zwei Jahren zum ersten Mal wieder das Land und alte Freunde. „Klar, letzten Freitag war ich auch bei der Fridays4Future-Demo“, erzählt er mir. Für das Klima hat er sich für den Nachtzug entschieden. Vor allem von ihm, kann ich viel erfahren. Sichtlich begeistert erzählt er mir von Bukarest und von der umliegenden Natur, vom Schwarzen Meer, von den Karpaten. Je näher wir kommen, desto mehr erinnert er sich an seinen Erasmusaufenthalt dort zurück, wird euphorischer. Er erzählt mir aber auch davon, wie Bukarests Altstadt dem Erdboden gleich gemacht wurde oder von der Korruption heut im Land auf allen Ebenen. All das hätte ich vielleicht auch lesen können in Büchern, Bibliotheken, Blogs. Doch was er mir erzählt ist gefiltert, authentisch, subjektiv. Und damit genau das, was ich interessant finde.
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