zum Inhalt

Die Crux mit der Praxiserfahrung – 1

Ein Porträt-Foto von Maril

Autor:
Maril

Rubrik:
studium

24.11.2023

Praxiserfahrung scheint im Medizinstudium das Problemthema schlechthin zu sein. Alle Fakultäten und Fachbereiche bemühen sich redlich um mehr praktische Inhalte in der Lehre. Keine Einführungsvorlesung kommt ohne einen Kommentar zu diesem Thema aus:  ein entschuldigendes Lächeln und das halb verzweifelte Versprechen, es würden nicht nur theoretische Inhalte im Mittelpunkt stehen. Wirklich nicht! Sie hätten sich da was Neues überlegt. Ich weiß diese Bemühungen wirklich sehr zu schätzen, aber meine Kommiliton*innen und ich wissen: Mühe alleine reicht nicht. Ohne ein wirkliches Konzept, bei dem auch alle mitziehen (können), wird das nichts. Egal, was die jeweiligen Lehrbeauftragten sich da Tolles ausdenken, es kann und wird an der Realität scheitern – und das leider meist zulasten der Patient*innen. Dazu muss ich etwas ausholen.

Ab dem 7. Semester Humanmedizin wird eine neue Art der Lehrveranstaltung zur Tagesordnung. Nachmittags finden Vorlesungen und Seminare zu den verschiedensten Themengebieten statt und vormittags geht es direkt in den Krankenhausalltag … mehr oder weniger. Die Kurse „Unterricht am Krankenbett“ (hübsch abgekürzt als UaKs), in denen man als Kleingruppe direkt im Uniklinikum unterrichtet wird, sind je nach Fachgebiet sehr unterschiedlich. Beispielsweise der UaK Gynäkologie und Geburtshilfe hat mir bis jetzt sehr gefallen. Unter anderem darf man mit im OP stehen und beim Ultraschall zusehen. Des Weiteren gibt es einen Komplex zu gynäkologischer Anamnese und einen Kurs an Modellpuppen zur gynäkologischen Vorsorge. Für mich wirkt es wie ein durchdachtes Konzept, durch welches ich viel lernen kann. Weniger durchdacht ist allerdings die Art der Anwesenheitskontrolle. Alle Studis haben verschiedenste Hefte, in denen sie sich bei jedem UaK oder Seminar mit Unterschrift und Stempel ihre Anwesenheit bestätigen lassen müssen. Diese wenig robusten Papierheftchen sind quasi die Lebensversicherung eines Medizinstudierenden in Leipzig.

Ich habe momentan mehr Angst davor, eines dieser Hefte innerhalb der nächsten zwei Jahre zu verlieren oder mit verschüttetem Kaffee zu ruinieren – und damit nicht zum zweiten Staatsexamen zugelassen zu werden – als dieses dann schlussendlich nicht zu bestehen. Da es keinen Plan B gibt, keine gesonderten Anwesenheitslisten oder ähnliche Absicherungsstrategien, hat man im Falle des Verlustes der Hefte einfach Pech gehabt. Dann kann man alles noch einmal machen, denn niemand kann und wird dir deine Anwesenheit in den Lehrveranstaltungen einfach so bestätigen. Außerdem wären es ziemlich viele Unterschriften, die man sich dafür erneut einzeln einholen müsste. Digitalisierung – wo bist du, wenn man dich mal braucht?

Abgesehen von dieser rein organisatorischen Problematik, bleibt natürlich die Frage: Reichen ein oder zwei Wochen UaK und ein paar Vorlesungen pro Fachgebiet aus, um mich mit diesem Fach und all den zugehörigen relevanten theoretischen Inhalten und praktischen Fertigkeiten ausreichend vertraut zu machen? Momentan fühlt sich das jedenfalls nicht so an.