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Medizin studieren: Radikales Nichtstun

Ein Porträt-Foto von Maril

Autor:
Maril

Rubrik:
studium

28.11.2022

So, ich habe es geschafft. Ich habe mein Physikum, mein erstes Staatsexamen, in der Tasche – unglaublich! Noch am Tag der mündlichen Prüfung bin ich fest davon ausgegangen, dass ich durchfallen würde. Es gehört nun einmal auch ein bisschen Glück dazu: Glück mit den Prüfern und Glück mit den Fragen. Den ganzen Morgen über hatte ich mir noch in Gedanken selbst ein paar mögliche Prüfungsfragen gestellt und ich konnte keine beantworten. Es war wie ein stundenlanger Blackout, mein ganzes Wissen zu Biochemie, Anatomie und Physiologie schien wie weggeblasen zu sein. Ich war völlig übermüdet, da ich die Nacht kaum schlafen konnte, Puls und Blutdruck waren weit jenseits sogenannter Normwerte und meine Hände begannen unkontrolliert zu zittern. Ich hatte es ja schon mal erwähnt: Ich bin kein Mensch für mündliche Prüfungen und diese war mit Abstand die wichtigste in meinem bisherigen Leben – was nichts heißen muss, denn es werden noch andere folgen. Offenbar kein tröstlicher Gedanke kurz vor der Prüfung, wie ich feststellen musste. Allerdings konnte mich in dieser Situation sowieso nichts und niemand beruhigen – bis auf den Gedanken vielleicht, dass es in wenigen Stunden vorbei sein würde.

An die Prüfung selbst kann ich mich gar nicht mehr so gut erinnern, zumindest was meine Antworten angeht. Aber ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe und auch einiges nicht beantworten konnte. Doch das war nicht weiter schlimm. Ich fühlte mich zwar mies und eine 1 konnte es so dann auch nicht mehr werden, aber das war mir auch völlig egal. Hauptsache bestehen. Die Prüfer*innen versuchen einen meistens mit gezielten Fragen und kleinen Hinweisen in die richtige Richtung zu lotsen, verzeihen auch hier und da Verwechslungen oder Flüchtigkeitsfehler. Meine versuchten eine möglichst angenehme Atmosphäre für uns vier Prüflunge zu schaffen, denn wir waren nervlich alle ziemlich am Ende. Sie machten ein paar Witze und waren die gesamte Prüfung über sehr locker und entspannt. Wir wurden im Wechsel in den jeweiligen Fächern geprüft. Eine Kommilitonin wurde z.B. eine Viertelstunde in Biochemie geprüft, während ich mir meine histologischen Präparate im Mikroskop anschaute, um sie dann anschließend bei meiner viertelstündigen Anatomie-Prüfung vorzustellen. Unser Prüfungsvorsitzender hatte dieses rotierende Prüfungssystem von einem Kollegen übernommen. Häufig werden nämlich alle Prüflinge nacheinander erst in einem Fach geprüft und anschließend, wieder in der gleichen Reihenfolge, in den anderen Fächern. Bei uns war es so, dass jeder in einer anderen Reihenfolge der Fächer geprüft wurde, bei mir z.B. erst Anatomie, dann Physiologie und abschließend Biochemie. Zwischen den einzelnen Prüfungsteilen hatten wir immer noch eine Dreiviertelstunde Wartezeit, die doch schneller vergeht als ich erwartet hätte. Nervig ist es trotzdem. Und dann war es auf einmal vorbei. Wir wurden hinausgeschickt, unsere Note wurde festgelegt und uns zehn Minuten später mitgeteilt.

Glückwünsche, Jubel und Sekt draußen vor dem Gebäude, wo meine Freunde auf mich warteten. Da ich relativ spät erst meinen Prüfungstermin hatte, blieben mir nun nur zweieinhalb Wochen bis zum Beginn des neuen Semesters. Und die füllte ich mit radikalem Nichtstun, d.h. ich las, ging spazieren, kochte und backte (bzw. ließ mich von meiner Mutter bekochen), hörte Podcasts und sah all die Filme und Serien, die ich in letzter Zeit so sträflich vernachlässigt hatte, traf mich mit Freunden und besuche Konzerte. Gut, der Begriff „Nichtstun“ ist vielleicht irreführend, aber im Duden sind als Synonyme Faulenzen und Müßiggang aufgeführt. Das trifft's doch ganz gut. Und das habe ich auch gebraucht nach zwei Monaten Lern- und Prüfungsstress. Dass ich bestanden habe, ist in meinem Kopf allerdings immer noch nicht so wirklich angekommen. Vielleicht gelingt mir das erst, wenn mich der Unialltag wieder komplett eingeholt hat und zwar im zweiten Teil meines Studiums – der Klinik!