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Medizin studieren: Mühsam nährt sich das Eichhörnchen

Ein Porträt-Foto von Maril

Autor:
Maril

Rubrik:
studium

12.12.2022

Ach, wie habe ich mich doch auf den klinischen Teil meines Studiums gefreut! Endlich lerne ich das, was ich in meinem späteren Berufsleben auch direkt brauchen werde: Pathologien und ihre Symptome, labormedizinische Tests, diagnostische Verfahren, Therapiemöglichkeiten. Natürlich habe ich auch in der Vorklinik viel Spannendes gelernt und hatte Freude an den naturwissenschaftlichen Grundlagen. Es war zwar hart, das alles zu lernen, und ich glaube auch nicht, dass ich mich in ein paar Jahren (mal ehrlich, vermutlich auch schon in ein paar Monaten) noch an all die (bio)chemischen und physiologischen Details erinnern werde, aber ich werde mich daran erinnern, dass ich es mal verstanden habe. Und das wird es einfacher machen, wenn ich dann bestimmte Sachen doch noch einmal nachlesen und mir aneignen muss, z.B. für eine Doktorarbeit oder zum Verständnis einer klinischen Studie.

Das fünfte Semester begann für mich unter anderem mit Pathologie-Vorlesungen. Pathologie ist dabei im Allgemeinen die „Lehre von abnormen und krankhaften Vorgängen im menschlichen Körper“, also im lebenden Körper. Demnach ist es eigentlich die „Lehre der Krankheiten“. Patholog*innen sind nicht die Leute, die Leichen für die Kripo sezieren. Sie sind diejenigen, die im Krankenhaus das „Material“ (also Gewebeproben etc.), welches zum Beispiel bei einer Operation von Patient*innen entnommen wird, untersuchen und feststellen, was das genau ist. Ist es ein Tumor? Wenn ja, was für einer? Ist das Gewebe entzündet? Wenn ja, was ist der Auslöser? Und wurde bei der OP der gesamte Tumor entfernt oder gibt es noch Reste? Solche und andere Fragen werden durch die Patholog*innen beantwortet. Sie machen auch Autopsien/Obduktionen (d.h. Leichenschauen), um abschließend die Todesursache zu klären – aber eben nicht, wenn der Verdacht auf eine nicht natürliche Todesursache besteht. Dafür sind dann Rechtsmediziner verantwortlich, was eine andere Facharztrichtung als die Pathologie ist.

Die Pathologie ist für mich jedenfalls ein äußerst faszinierendes Fach. In der Vorklinik haben wir uns den Großteil der Zeit mit dem Idealzustand beschäftigt, also mit „dem Gesunden“. Damit wird man als Mediziner*in aber im Normalfall nicht konfrontiert, das liegt in der Natur dieses Berufs. Also lernen wir nun, wie zum Beispiel eine Leber nicht aussehen sollte, auch unter dem Mikroskop – das nennt man dann Histopathologie. Das wäre allerdings noch spannender und vor allem verständlicher, wenn die Kurse und Vorlesungen aufeinander abgestimmt wären. In den Kursen bekommen meine Kommiliton*innen und ich die mikroskopischen Präparate mit der jeweiligen Diagnose vorgesetzt (z.B. fibrinöse Epikarditis oder Leiomyosarkom) und sollen uns zurechtfinden, obwohl wir noch keine dazu passende Pathologie-Vorlesung gehört haben. Wie sollen wir da denn überhaupt etwas erkennen und zuordnen können? Wir wissen doch noch gar nicht so genau, was eine Nekrose oder Fibrose ist oder welche Arten von Tumoren es gibt, geschweige denn wie man sie histologisch (also unter dem Mikroskop) erkennt. Das macht das Lernen nicht gerade einfacher. Es ist wie ein Memory aus histologischen Bildern von irgendwelchen Zellen und lateinischen Begriffen, unter denen ich mir nur wenig vorstellen kann. Aber ich habe mir sagen lassen, dass es mit der Zeit besser wird. Es ist am Anfang nicht wirklich aufeinander abgestimmt und das frustriert, doch je weiter das Semester voranschreitet, desto mehr lernt man dazu und dann kommen die Aha-Momente am Mikroskop. Momentan kann ich mir unter „verkäsender Nekrose“ maximal Blauschimmelkäse vorstellen, aber in ein paar Wochen erkenne ich es womöglich ohne Probleme in einem Präparat. Hoffentlich. Für die Klausur wäre es zumindest hilfreich.