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Leben, um zu arbeiten?

Foto von Bloggerin Thea

Autor:
Thea

Rubrik:
orientieren

31.01.2023

Letztes Jahr im September habe ich mein FSJ angefangen. Nachdem ich voller Euphorie meine Bewerbungsunterlagen abgeschickt hatte und wenig später zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde, war ich voller Vorfreude, in einen neuen Lebensabschnitt zu starten. Natürlich sah ich am Anfang alles durch eine rosarote Brille, und auch wenn mir bewusst war, dass es mit Sicherheit nicht so unbeschwert sein würde, wie ich es mir ausmalte. Sätze wie: ,,Fang du erst mal an zu arbeiten“, gingen in das eine Ohr rein und durch das andere wieder raus und ich vergaß den Satz schneller, als er ausgesprochen war.  

Tja, so war das im September. Und heute, fast fünf Monate später, ist es ein Satz, der erstaunlich oft wieder in meinem Kopf auftaucht. Ich lebe derzeit ein ganz anderes Leben als noch vor einem Jahr. Vor einem Jahr stand ich gegen sechs Uhr auf, war spätestens um 16 Uhr mit der Schule fertig, ging dann noch dem ein oder anderen Hobby nach, lernte mal mehr mal weniger diszipliniert für die Schule und fiel nach dem Abendessen mit retrospektiv betrachtet kleinen Sorgen ins Bett. Heute klingelt mein Wecker erst um sieben Uhr, dann mache ich mich auf zur Arbeit, komme zwischen 17 und 17.30 Uhr wieder zurück und bin ziemlich fertig. Da ich inzwischen aber nicht mehr zu Hause wohne, warten meistens irgendwelche Anträge auf mich, die sämtliche Ämter am liebsten schon gestern ausgefüllt zurückgeschickt haben wollen. Von Wohngeld über Arbeitslosengeld II oder meinetwegen auch Bürger*innengeld, sind das einfach Dinge, die super viel Zeit fressen. Nach dem nervigsten Part am Abend – dem Papierkram – wartet dann noch der Haushalt auf mich. Einkaufen, Wäsche machen, putzen. Alles Dinge, die sonst irgendwie nebenbei laufen. Gefühlt zumindest, weil es auf mehreren Schultern verteilt war und ich jetzt mehr oder minder auf mich allein gestellt bin. Und neben diesen Pflichten würde ich in meinem Feierabend eigentlich auch noch gerne Dinge wie Hobbys, Freund*innen treffen, Sport oder einfach mal Zeit zum Durchatmen unterbringen. Aber meistens ist es zu diesem Zeitpunkt leider schon 21 Uhr, sodass ich mir nur noch etwas zu Essen koche und danach auch schon wieder reif fürs Bett bin.

Und so oder so ähnlich lief nicht nur die letzte Woche oder der vergangene Monat ab; irgendwie ist das gefühlt mein Leben, seit ich ausgezogen bin. Klar gibt es dann noch die Wochenenden, aber mein Leben ist mehr als zwei arbeitsfreie Tage die Woche. Und ich glaube, genau das ist die Quintessenz der vergangenen Zeit. Derzeit kann ich nicht alle Dinge, die notwendig sind oder mir Freude bereiten, in meinen Feierabend quetschen. Einfach mal das Einkaufen lassen geht nicht und auf Treffen mit Freund*innen möchte ich nicht verzichten. Also muss ich an einer anderen Stellschraube drehen.

Und damit wären wir wieder am Anfang meines Textes. Momentan ist meine Hauptbeschäftigung die Arbeit. Rund acht Stunden am Tag und 39 in der Woche. Aber möchte ich das überhaupt? Möchte ich leben, um zu arbeiten? Ganz sicher nicht, aber gerade ist das nun mal so. Mit einem Stundenlohn von 2,60 Euro im FSJ kann ich nicht einfach weniger arbeiten, da ich ohnehin schon auf finanzielle Unterstützung vom Staat angewiesen bin. Aber wenn ich mit dem Mindestlohn mehr als das Dreifache meines jetzigen Gehaltes bekäme, wäre das gar nicht mal so abwegig. Vielleicht reicht mir später mal eine 80-Prozent-Stelle zum Leben oder ich komme mit einer halben Stelle ohne Sorgen über die Runden. Ich glaube, ich bin nicht bereit, ein Drittel meines Tages mit Arbeit zu verbringen. Wenn ich gesunderweise genauso lange schlafen sollte, dann noch meinem Sozialleben nachkommen möchte und wenigstens einmal die Woche für etwas Ordnung sorgen will, geht diese Rechnung einfach nicht auf ohne mit Ende 20 zwar ohne finanzielle Sorgen, aber dafür mit Burnout dazustehen.

Und das habe ich tatsächlich nicht gewusst, als man mir sagte: ,,Fang du erst mal an zu arbeiten.“