Rubrik:
orientieren
04.06.2023
Autor:
Thea
Rubrik:
orientieren
04.06.2023
Zehn Jahre bin ich diesen Sommer bei dem Pfadfinder*innenstamm in meinem Dorf aktiv und irgendwie hatte ich daher das Gefühl, dass es langsam Zeit für Veränderung wird. Nicht, dass es üblich wäre, nach bestimmter Zeit den Stamm zu wechseln. Aber für mich fühlt es sich nach diesen zehn Jahren so an, als wäre ich aus meinem Heimatstamm herausgewachsen. Besonders mein FSJ bei der DPSG hat mir neue Perspektiven gezeigt und Lust auf Dinge gemacht, die über die Angebote meines Stammes hinausgehen.
Daher habe ich vor ein paar Monaten den Stamm gewechselt. Dort habe ich, zwar als Leiterin, aber trotzdem irgendwo ganz unerfahren, in einem neuen Stamm angefangen. Gut für mich, dass eine der ersten Aktionen meines neuen Stammes das Pfingstlager war, und ich damit viele neue Gesichter auf einmal kennenlernen konnte. Und gut für mich, dass ich auch nach dem Lager die Entscheidung zu wechseln nicht bereut habe. Ganz im Gegenteil, es war ein super Auftakt für mein neues Stammesleben und ich habe mich in meiner Entscheidung zu wechseln sehr bestärkt gefühlt, auch wenn es natürlich nicht einfach war, meinem Heimatstamm nach solch langer Zeit den Rücken zu kehren.
Allerdings habe ich dafür meine Gründe und glücklicherweise fühle ich mich mit diesem Neuanfang schon jetzt sehr wohl. Denn eine Sache, die ich früher immer vermisst habe, war das klassisch Pfadfinderische. Feuer machen, Hütten bauen, Knoten knoten. All das fiel in meiner Jugend irgendwie hinten runter und diese „richtigen Pfadfinder“ wurden eher belächelt. Aber genau diese Dinge waren es, die mich neugierig machten und an denen ich richtig Spaß hatte. Umso größer war die Freude, als ich von dem Pfingstlager meines neuen Stammes hörte. Ohne Sanitäranlagen, ohne Strom und ohne helfende Muttis in der Küche. Alles mehr oder weniger improvisiert und ganz back to the roots auf einer blanken Wiese. Von solchen Lagern hatte ich immer schon geträumt!
Und auch wenn man immer sagt, dass es ein gutes Indiz ist, wenn Zeit schnell vergeht, war es bei mir diesmal genau anders herum. Wir erlebten in diesen vier Tagen gemeinsam so viel und saßen jeden Abend bis in die späte Nacht zusammen singend am Lagerfeuer, dass ich am letzten Tag ganz verwundert war, dass ich das alles in nur drei Tagen erlebt hatte. Hätte mir jemand gesagt, dass nun schon eine Woche vergangen wäre, hatte ich dies ohne auch nur einen Moment zu zweifeln geglaubt. Denn es waren die vielen kleinen Momente, die mein Herz so erfreuten und mir das Gefühl gaben, ich wäre schon seit Ewigkeiten hier. Es waren die raufenden Jugendlichen, die in jeder freien Minute ihre Kräfte gemessen haben und schon nach dem ersten Abend mit blauen Flecken und dreckigen Knien am Lagerfeuer saßen. Es waren die Leitenden, die sich jeweils mit der Verantwortung abwechselten und so auch selbst genügend Zeit zum Rumblödeln hatten. Es war das leckere Essen, welches erst über dem Feuer gekocht und anschließend unter freiem Himmel gegessen wurde. Es war mein Handy, dass ich schon am ersten Abend das letzte Mal in der Hand hatte und es das gesamte Lager über kein weiteres Mal mehr anrührte, weil das Hier und Jetzt so viel spannender war, als die Instagramstorys meiner Freund*innen. Und es war der Wein, welchen ich nach der Abendrunde am Lagerfeuer aus meiner Alu-Tasse trank, die noch am Morgen als Müslischale diente und am Mittag mein Suppenteller war.
All diese Dinge gaben mir ein starkes Gefühl der Zufriedenheit und ich kann nicht in Worte fassen, wie dankbar ich für diese Erfahrungen bin. Mit jeder Entscheidung im Leben gehen bestimmte Türen auf, während sich andere schließen. Aber in diesem Fall kann ich sagen, dass mein Glück mit dem neuen Stamm für mich so viel größer ist, als der Verlust, für den ich mich mit dem Abschied von meinem Heimatstamm entschieden habe.
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