Rubrik:
orientieren
26.11.2019
Autor:
Maril
Rubrik:
orientieren
26.11.2019
Meine Mutter sagt immer, das Abitur in Deutschland sage nicht viel über deine Intelligenz und Kompetenzen, sondern eher etwas über deine Anpassungsfähigkeit aus. Wenn das tatsächlich so ist, dann bin ich wohl biegsam wie Kaugummi und das ist wirklich kein schönes Gefühl. Wir Schüler sollen doch in dieser Gesellschaft eigentlich zu freien, selbstbestimmten, kritischen Menschen erzogen werden und es ist nur mehr als bitter, wenn man feststellt, dass man das im Grunde gar nicht ist. Natürlich dürfen wir in der Schule unsere Meinung sagen, keine Frage. Es gibt Raum für kontroverse Diskussionen, Kreativität und Querdenker, auch wenn manchmal die Zeit drängt. Doch wenn es dann um die Noten geht, besinnt man sich dann doch lieber auf Althergebrachtes. Zumindest habe ich mich schon oft selbst dabei erwischt. Wie oft habe ich in einem Test nicht unbedingt, das geschrieben, was ich tatsächlich zu diesem Thema dachte, sondern das, was ich am besten begründen und erläutern konnte. Jedes Mal denke ich mir dann: „Das wird zu kompliziert, das so zu erklären, wie du es dir denkst. Und bei dem einen Beispiel bist du dir nicht ganz sicher.“ Solche oder ähnliche Gedanken schwirren dann durch meinen Kopf und ich entscheide mich schlussendlich meist für den sichereren Weg. Es ist furchtbar, sich das einzugestehen. Sicherheit und Anpassung statt Risiko und freie Entfaltung.
Wir dürfen in der Schule kreativ sein, wir sollen es sogar. Unzählige „Kreativaufträge“ in Ethik, Geschichte, Musik, Kunst und Deutsch zeugen davon. „Lasst eurer Kreativität freien Lauf!“, so lautet das Motto, aber am Ende ist es dann doch nur die Art von Kreativität, die der jeweilige Lehrer erwartet. Es geht nur noch darum, wer am besten verstanden hat, was der Lehrer sehen möchte. Von wegen freie Entfaltung.
In der Oberstufe zählt nun einmal jeder Punkt. Also gliedere ich mich ein, ordne meine Ideen denen des Lehrers unter und bekomme dafür gute Noten. Das ist ganz schön erbärmlich. Was ist es, dass mich dazu treibt, mein sonst so freches Mundwerk zu schließen und genau das zu schreiben und zu sagen, was der Lehrer am Ende hören möchte? Sind es wirklich nur ein paar Notenpunkte, die mich dazu verleiten? Vielleicht habe ich auch Angst davor, meine Meinung offen darzulegen, denn das macht mich angreifbar. Andererseits: Was wäre das Leben ohne Risiko?
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