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Schülerleben live: Wider der Tristesse

Ein Porträt-Foto von Maril

Autor:
Maril

Rubrik:
orientieren

09.04.2020

Ich wollte eigentlich nicht über das Coronavirus schreiben. Das erledigen schon gefühlt 98 Prozent aller verfügbaren Medien für mich. Sei es drum, ich komme nicht daran vorbei. Nicht, dass ich etwas Neues erzählen könnte. Ich kann nur davon berichten, wie ich langsam, aber sicher wahnsinnig werde – hier in meinem Zimmer, eingesperrt mit Übungsaufgaben und dicken Heftern. Ich habe sogar begonnen, alle Bücher, die wir in den vergangenen fünf Jahren im Deutschunterricht durchgenommen haben, erneut zu lesen – und das ist wirklich besorgniserregend. Anstatt für meine Geschichtsprüfung zu lernen oder für mein Mathe-Abitur zu üben, lese ich Goethes "Faust" oder Fouqués "Undine" – und natürlich noch andere Bücher, die nicht dem Lesezyklus des Deutsch-Lehrplans entsprungen sind. Klassischer Fall von Prokrastination. Das sind nun einmal die Tücken des selbständigen Arbeitens. Für mich bedeuten die geschlossenen Schulen viel Freizeit, die ich aber scheinbar nicht wirklich sinnvoll nutzen kann. Es sind quasi Ferien, nur anstrengender. Nicht, weil mein Jahrgang so viele Aufgaben aufbekommen hätte, sondern weil die Ungewissheit, die Langeweile, die Tristesse des immer gleichen Anblicks der eigenen vier Wände und irgendwann auch das schlechte Gewissen aufgrund der scheinbar sinnlos vergeudeten Zeit an uns nagt. Das klingt dramatischer, als es vermutlich ist, doch man sollte nicht unterschätzen, wie Eintönigkeit und Unsicherheit einen Menschen zermürben können. Ich jedenfalls bin mehr als froh, dass wir im digitalen Zeitalter leben und dass ich hier auf dem Land lange Spaziergänge durch die Pampa machen kann. Das Coronavirus darf und wird mir nicht die Freude an allem nehmen, was ich liebe. Ich habe Zeit, den Stapel an ungelesenen Büchern neben meinem Bett abzubauen. Ich kann an meinem Poetry Slams arbeiten und jeden Tag eine Stunde Klavier üben. Ich kann mein Zimmer putzen, endlich den Brief an meine Brieffreundin in der Schweiz schreiben, ausschlafen, meiner Mutter beim Bügeln und bei der Gartenarbeit helfen, Kochen und vielleicht auch Stricken lernen oder mit Yoga anfangen. Denn gerade jetzt habe ich mehr als genug Zeit dafür. Womöglich sind einige dieser Ziele unrealistisch, aber sie helfen mir und vielleicht auch dir diese Phase der Halbisolation zu überstehen.