zum Inhalt

Was tun nach dem Abi?: Eine Stadt im Nichts

Autor:
Max

Rubrik:
orientieren

14.11.2019

Kasachstan – das neuntgrößte Land der Erde, das ich eigentlich gar nicht auf dem Schirm hatte, bevor ich meinen Freund Timo in Ust-Kamenogorsk besuchte. Die Stadt mit gut 300.000 Einwohnern befand sich im Nordosten des Landes und lag eingebettet in hügelige, grün-braune Steppenlandschaft. Einerseits trist, andererseits faszinierend, denn so viel „Nichts“ hatte ich vorher noch nie gesehen. Hier schien alles unberührt zu sein.
In Timos Wohngegend dominierten heruntergekommene Plattenbauten, unweit befand sich zudem ein veralteter Rummelplatz. Im Stadtzentrum zeigte sich dann doch die russisch-kasachische Investitionskraft verbunden mit einer dezenten Portion Nationalstolz. Es gab große Fontänen, eine Parkanlage mit Panzern und Kriegsdenkmälern, eine Uferpromenade am Fluss Irtysch und eine neue Moschee. Außerdem lief man von Timos Wohnung nur fünf Minuten zu einer kleinen, grünen Insel, die im Irtysch lag. Zuerst wusste ich nicht, was ich von der Stadt halten sollte. Aber nachdem Timo mir die genannten Orte gezeigt hatte, konnte ich nachvollziehen, warum er seinen Freiwilligendienst um ein Jahr verlängert hatte.
Überraschenderweise lebten in Ust-Kamenogorsk eher weniger Kasachen. Der Großteil der Bevölkerung war russisch – zumindest ethnisch gesehen. Die Kasachen erkennt man an ihren schmalen Augen und dunklen Haaren, wohingegen die Russen ein europäisches Aussehen haben. Über die Sprachen des Landes, Russisch und Kasachisch, erzählte mir Timo Erstaunliches. In den Schulen wurden beide Sprachen gelehrt, doch die Russen im Land machten sich angeblich wenig Mühe, die Sprache des Landes zu verinnerlichen, was dazu führte, dass in Kasachstan tatsächlich mehr Menschen Russisch als Kasachisch sprachen. Eine weitere Differenz zwischen den beiden Ethnien war ihre Glaubensrichtung. Die Kasachen gehörten zu den Turkvölkern und waren deshalb streng muslimisch. Auf der anderen Seite prägte die orthodoxe Kirche den Glauben der Russen. Im Konflikt schienen die beiden Religionen hier allerdings nicht zu stehen, jedenfalls erlebte ich einen friedlichen Umgang unter den Menschen.
In Ust-Kamenogorsk lernte ich heute Jakob kennen, ein weiterer deutscher Volontär, der an einer Schule im Nachbarsbezirk von Timos Schule ebenfalls als Deutschlehrer arbeitete. Gemeinsam bestiegen wir am Nachmittag den Kasachstanberg, einen Hügel leicht außerhalb von der Stadt. Zusammen genossen wir den Sonnenuntergang über der Stadt. Spätestens jetzt hatte ich Verständnis für Timo; hier konnte es sich definitiv leben lassen.