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Patchwork-Freundschaften

Foto von Bloggerin Thea

Autor:
Thea

Rubrik:
studium

28.04.2024

Seit einer Weile habe ich das Häkeln wieder für mich entdeckt. Meine beste Freundin hat mich darauf gebracht, als sie mir von ihrem neuen Projekt erzählte. Etwas klagend und schon leicht demotiviert hörte sie sich an, da sie sich fürs Erste ein ganz schön großes Häkelwerk vorgenommen hat. Eine Patchwork-Decke sollte es werden, die ihr 1,40 Meter breites Bett bedecken soll. Für den Anfang ganz schön optimistisch, wenn ich so an meine Häkelanfänge zurückdenke.

Damals in der zweiten Klasse waren gehäkelte Boshi Mützen im Trend und ich erinnere mich, dass ich auch eine haben wollte. Selbstgemacht sollt sie sein, das war für mich klar. Und so stiefelte ich los, mit meiner Handarbeit-erfahrenen Mami im Schlepptau. Ich suchte mir im Strickgeschäft kunterbuntes Garn aus, war auf dem Heimweg voller Tatendrang. Dieser verflog nur leider schneller, als es selbst meine Mami erwartet hatte, obwohl sie mich und meine ziemlich geringe Frustrationstoleranz gut kannte. Geduldig versuchte sie mir trotzdem nach den ersten gescheiterten Versuchen feste Maschen und Stäbchen zu erklären, nur irgendwie wollte es bei mir nicht funktionieren. Die Maschen waren ungleichmäßiger als es mir lieb war, ich brauchte unerträglich lange und schob meinen Frust abwechselnd auf die Häkelnadel, das Garn und natürlich meine Mami. Tatsächlich habe ich inzwischen die Theorie, dass sie abends, wenn ich schlafen gegangen bin, ab und an fünf Minuten in meine Mütze investiert hat, anstatt ihre viel aufwändigeren Socken weiter zu stricken. So konnte sie am nächsten Morgen in stolze Kinderaugen zu blicken, die der Überzeugung waren, die neuen Reihen selbst gehäkelt zu haben.

Wie dem auch sei war es irgendwann fast schon wieder zu warm, als meine „selbstgemachte“ Mütze fertig war. Trotz des angesammelten Frusts während des Entstehungsprozesses, überwog am Ende doch der Stolz, als ich meine zugegebenermaßen etwas kratzige Mütze die ersten Male trug. Und genau diese Erinnerung war es, welche mich einen zweiten Versuch wagen ließ. Wie gut, dass das Häkelprojekt meiner Freundin nicht an einen Ort gebunden ist, sodass ich mich einfach bei ihrer Decke einklinken konnte.

Ich stapfte also los, diesmal ohne meine Mami an meiner Seite, und suchte mir ähnlich euphorisch wie damals in der zweiten Klasse ein paar Knäule Garn im Wollladen meiner Wahl aus. Gleich zu Hause machte ich mir in Tutorial auf YouTube an, stellte 0,5-fache Geschwindigkeit ein und versuchte mein Glück. Und siehe da, es funktionierte! Höchstwahrscheinlich besser als jeder einzelne meiner damaligen Versuche, beendete ich das erste Quadrat für die Decke. Und inzwischen sogar ganz ohne Tränen, Wutanfälle oder Kapitulation, wie damals in der Grundschule.

Es fühlt sich richtig schön an, trotz der Distanz, die mich und meine Freundin inzwischen trennt, gemeinsam an diesem Projekt zu arbeiten und ihr bei jedem Treffen einen Stapel bunter Häkel-Quadrate in die Hand zu drücken. Es schafft Gemeinschaft, die uns zwischenzeitlich fehlte, weil die Umstellung, plötzlich so weit auseinander zu wohnen, groß war. Und irgendwie finde ich den Gedanken total schön, dass sie nun bald eine Decke hat, an der wir zusammen gearbeitet haben. Irgendwie erinnert mich diese Patchworkdecke im übertragenden Sinne auch an unsere Freundschaft. Früher haben wir uns fast täglich gesehen und unser Kontakt beruhte vor allem auf Verabredungen. Inzwischen sehen wir uns viel seltener, schreiben und telefonieren häufig. So hat sich unsere Freundschaft gewandelt und der Kontakt ist nun ähnlich vielfältig wie jedes einzelne Quadrat. Und so, wie die vielen kleinen Häkelquadrate in Summe eine große Decke ergeben, ist unsere Freundschaft inzwischen auch das Produkt vieler unterschiedlicher Kontakte, ob per Nachricht, Treffen oder Telefonat. Bisschen kitschig, aber wahr.