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Master live: Duzen und Siezen

Foto von abi>> Blogger Ferdinand

Autor:
Ferdinand

Rubrik:
studium

06.10.2021

Mit dem Duzen und dem Siezen ist es ja so eine Sache. Wer war nicht schon einmal in der Situation, nicht zu wissen, wie er seinen Gegenüber ansprechen soll. Man überlegt sich jeden Satz ganz genau, umschifft das „Du“ oder „Sie“ mehr oder weniger gekonnt, um Peinlichkeiten auszuweichen und seinem Gegenüber nicht auf den Schlips zu treten. In Tschechien aber steht man in Bezug auf das Duzen oder Siezen nicht selten noch vor ganz anderen Herausforderungen.

Denn während man im Deutschen „siezt“, „ihrzt“ man im Tschechischen, man verwendet also die zweite Person Plural als Höflichkeitsform. Was dem Tschechisch-Lerner zunächst verwirrend erscheinen mag, kann sich schnell als praktisch erweisen, beispielsweise eben dann, wenn man eine Gruppe anspricht, oder eine Einzelperson in einer Gruppe, sich aber nicht sicher ist, ob man nun duzen oder siezen soll. Für tschechische Muttersprachler, die deutsch sprechen, ist die Sache aber scheinbar ein wenig komplizierter. Denn recht oft verwenden sie fälschlicherweise im Deutschen die dritte statt der zweiten Person Plural. Auch wenn mal also in einer Gruppe von Menschen in einer absoluten Duz-Atmosphäre, sagen wir, in der Kneipe, unterwegs ist, kann es passieren, dass ein Tscheche einen Satz wie „Wollen Sie noch ein Bier trinken?“ raushaut.

Einige meiner tschechischen Freunde machen dafür nicht nur den Siezen/Ihrzen-Unterschied in den Sprachen verantwortlich, sondern auch das tschechische Bildungssystem. Man würde hier obrigkeitshörig erzogen werden, die Deutschlehrer seien der Meinung, dass man womöglich Einzelpersonen duzen würde (die Mitschüler), aber sonst nur die Höflichkeitsform nötig ist – denn so spricht man ja schließlich auch mit dem Lehrer (bzw. den Lehrern). Eine ganz ohne Zweifel engstirnige Sichtweise, die spätestens in der oben genannten Kneipensituation an ihre Grenzen gerät.

Kommt der Gedanke daher, dass die Tschechen einfach wirklich mehr Respekt voreinander haben? Geht man hier womöglich generell später zum „Du“ über? Vielleicht. Doch ein gänzlich gegenteiliges Bild zeigt sich im Straßenverkehr. „Cyklisto, sesedni z kola“ heißt es zum Beispiel auf einem Verkehrsschild, das man vielerorts finden kann. „Fahrradfahrer, steig von deinem Rad ab!“ Im Straßenverkehr wird in Tschechien konsequent geduzt und noch dazu zuhauf der Imperativ verwendet. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen können. Ich steige also nicht ab und fahre einfach auf dem Fußweg weiter. Ein Minimum an Respekt wird man ja wohl noch erwarten dürfen!