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Gar nicht mal so gut

Ein Porträt-Foto von Noah

Autor:
Noah

Rubrik:
studium

08.09.2024

In einem meiner letzten Blogartikel habe ich erzählt, dass ich für mein Studium ein fiktives Assessment-Center erstellen musste – ein Verfahren, bei dem Bewerber durch Tests, Interviews und Gruppenübungen beurteilt werden. Ich hielt das Konzept für überholt und dachte, es würde mir im Arbeitsalltag nichts nützen. Doch ich mag es, wenn ich mich irre – und so war es auch hier. Etwa vier Monate später wurde ich gefragt, ob ich im Rahmen meines Werkstudentenjobs spontan bei einem echten Assessment-Center als Beurteiler aushelfen könnte. Ich sagte natürlich sofort zu, stellte mir die Aufgabe spannend vor: Beobachten, Stärken und Schwächen der Bewerber*innen herausarbeiten, und am Ende den Erfolgreichen die positive Nachricht überbringen. Scherzhaft meinte ich noch, dass ich alle durchfallen lassen würde – ohne zu ahnen, wie sehr mir dieser Satz später im Hals stecken bleiben würde.

Der Tag der Tage kam, und ich wurde frühmorgens gebrieft. Man erklärte mir, worauf ich achten sollte und wie der Ablauf aussehen würde, und dann ging es auch schon los. Die sechs Kandidaten waren äußerst pünktlich und hatten ihr bestes weißes Hemd angezogen – ich fühlte mich fast schon underdressed in meinem beigen oversized T-Shirt. Aber es blieb keine Zeit für Selbstzweifel, denn die erste Runde des Auswahlverfahrens startete.

Es begann mit einer Selbstvorstellung, wofür die Bewerber zehn bis zwölf Minuten einplanen sollten und zur Vorbereitung 30 Minuten hatten. Wahrscheinlich nervöser als die Bewerber selbst, hörte ich mir die erste Präsentation an und stellte fest: Das war leider gar nicht mal so gut und zudem viel zu kurz. Dieser Eindruck zog sich auch bei den nächsten beiden Kandidaten durch – weder inhaltlich noch zeitlich erfüllten sie die an sie gestellten Anforderungen. Desillusioniert von der ersten Runde ging es dann ins Zweier-Gespräch, bei dem vor allem Empathie und Führungsstärke gefragt waren, und anschließend in die Gruppenaufgabe, bei der Teamwork im Vordergrund stand. Leider bestätigte sich der Eindruck aus der ersten Runde: Die Teilnehmer wirkten unvorbereitet, waren in den Aufgaben nicht besonders stark und lieferten insgesamt nur eine mittelmäßige Performance für eine potenzielle Stelle mit Führungsverantwortung ab.

Mein schlimmster Albtraum wurde wahr: Niemand schaffte es, den Anforderungen gerecht zu werden, und wir mussten am Ende des Tages sechs Mal schlechte Nachrichten überbringen. Auch wenn ich mit meiner Bewertung absolut nicht allein war und sie weiterhin vertrete, war es natürlich kein schönes Gefühl, so viele Absagen verteilen zu müssen. Trotzdem würde ich jederzeit wieder für ein Assessment-Center bereitstehen – in der Hoffnung, beim nächsten Mal auch positive Nachrichten überbringen zu können.