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Untermieter*in gesucht

Ein Porträt-Foto von Noah

Autor:
Noah

Rubrik:
studium

22.09.2024

Jedes einzelne Fenster im Kölner Dom putzen, ein acht Stunden Flug ohne Kopfhörer neben einem weinenden Baby oder noch einmal 15 sein und den ersten Liebeskummer durchleben – das sind alles Dinge, die ich lieber machen würde, als mich noch einmal auf der Plattform, deren Name ich nicht mehr aussprechen möchte, für WG-Anzeigen anzumelden. Die Wohnungssuche nach meinem Umzug nach Augsburg im letzten Jahr hat mich völlig zermürbt. Auch wenn ich jetzt nach vielen, nahezu unzähligen Nachrichten eine wirklich schöne WG gefunden habe, blicke ich mit purem Abscheu auf diese Zeit und die Plattform zurück, die mich damals alle Nerven gekostet hat. Das klingt jetzt vielleicht dramatisch, aber ich kann mir momentan nicht vorstellen, jemals zu vergessen, was die Wohnungsnot in Deutschland mit mir gemacht hat. Natürlich ist es zu kurz gedacht, der Plattform die Schuld zu geben, aber im Moment muss sie noch als Sündenbock für meine Wut herhalten. Doch das Gejaule hilft ja nichts – irgendwie kommt man nicht drumherum, sich wieder auf so einer Plattform anzumelden, sei es, um eine Wohnung zu suchen oder eine zu vermieten. Genau vor diesem Dilemma stand ich nun.

Ich hatte die Bestätigung erhalten, dass ich im kommenden Semester für mein Auslandssemester nach Bratislava gehen würde. Jetzt stellte sich die Frage: Ziehe ich aus und suche nach meiner Rückkehr wieder eine neue Bleibe und durchlaufe denselben Horrorprozess erneut? Oder stelle ich mein Zimmer zur Zwischenmiete bereit und muss dann 100 Nachrichten beantworten, Leute einladen und am Ende eine Entscheidung treffen, die nur auf einem ominösen Bauchgefühl basiert, während ich zehn anderen Menschen absage, die genauso verzweifelt sind wie ich damals? Natürlich musste ich jedem von diesem Problem erzählen. In meinem Lieblingscafé berichtete ich einer guten Freundin von meiner Situation. Sie schaute mich nur mit einem leicht irritierten Blick an, als ich mit meinen ausschweifenden Erklärungen fertig war. „Für welchen Zeitraum vermietest du denn unter?“ war ihre Reaktion, und ich merkte, dass das, was ich für Desinteresse gehalten hatte, eigentlich Interesse war. Sie suchte nämlich ein unkompliziertes, möbliertes Zimmer für den Start ihres Werkstudierendenjobs in Augsburg. Ich hätte am liebsten sofort den Mietvertrag aufgesetzt. Ich bot ihr das Zimmer etwas günstiger an, damit es in ihr Budget passte, und zeigte ihr direkt nach dem Kaffee ihr hoffentlich zukünftiges, temporäres Zuhause.

Wir einigten uns darauf, dass wir beide interessiert sind und in einer Woche noch mal darüber sprechen würden. Dieses Mal war mir der WG-Gott positiv gesonnen: Sie sagte zu, und ich konnte mein Zimmer für genau den Zeitraum, der mir am besten passte, an eine Person vermieten, der ich vertraue – und das alles, ohne mich ein einziges Mal auf der Plattform – ihr wisst schon, welche – anmelden zu müssen.