Rubrik:
studium
16.02.2022
Autor:
Ferdinand
Rubrik:
studium
16.02.2022
Es ist ein milder Tag im Winter und ich fühle auf einmal eine seltsame Verbundenheit mit 13.409 Menschen in Tschechien, denen das gleiche Schicksal widerfährt wie mir. Dabei fängt alles ganz harmlos an. Zwei Tage zuvor hatte ich ein leichtes Halskratzen. Schnelltest: Negativ. Dann lief die Nase. Und nun halte ich meinen positiven Schnelltest in den Händen. Nach dem ersten Schock begebe ich mich umgehend zum PCR-Test – und muss mich wenige Stunden später mit der traurigen Realität konfrontiert sehen: Mein Test ist positiv, ich habe Covid. Woher, das weiß ich auch nicht.
Glücklicherweise sind meine Mitbewohner ausgeflogen und können auch die nächsten 14 Tage in ihren jeweiligen Ausweichquartieren bleiben. Ich rufe meine Kontakte der letzten Tage an, schreibe SMS um SMS. Bis Tag eins meiner Isolation zu Ende geht.
Spätestens am dritten Tag wird mir klar, dass die 14 Tage Einsamkeit härter werden als gedacht. Telefonate mit Freunden und der Familie sind zwar nett gemeint und tun gut, doch schnell fehlen mir echte Kontakte mit Menschen, genauso wie die Möglichkeit, einfach mal eine Runde spazieren gehen zu können.
Am fünften Tag wache ich morgens auf und denke mir: „Nicht schon wieder. Nicht noch ein Tag in dieser verdammten Isolation. Nicht noch ein Tag in dieser verdammten Wohnung.“ Ich habe fast keine Symptome mehr und doch bin ich irgendwie kurz vor dem Durchdrehen. Es muss sich etwas ändern.
Die Tage 6 bis 10 verbringe ich damit, mehr auf dem Balkon zu sitzen, die Möbel in der Küche umzuräumen oder die Wohnung weihnachtlich zu schmücken. Und – last but not least – ich schreibe an meiner Masterarbeit, denn wenn es eine perfekte Situation zum Schreiben der Abschlussarbeit gibt, sind das wohl zwei Wochen Isolation bei nahezu bester Gesundheit.
Die letzten Tage meiner Quarantäne vergehen wie im Flug. So langsam hat sich die Normalität eingestellt. Es ist normal, Einkäufe nur über einen Online-Supermarkt erledigen zu können und den Tag ohne größere Termine zu verbringen. In der Nacht zum 14. Tag beende ich zwei Kapitel meiner Masterarbeit. Und dann? Dann kommt am 14. Tag der Anruf einer Ärztin. Meine Isolation ist beendet.
Als ich zum ersten Mal wieder rausgehe, ist das ein eigenartiges Gefühl. Klar freue ich mich, aber irgendwie scheint mein Gehirn den vielen Eindrücken nicht richtig gewappnet zu sein. Ich fahre Straßenbahn, ich gehe spazieren, ich treffe Freunde. So viele Eindrücke überall, so viele Menschen! Ich bin überfordert. In den ersten Tagen meiner neugewonnenen Freiheit ertappe ich mich deshalb manchmal sogar dabei, mich nach der Zeit in der Isolation zurückzusehnen.
Doch es hilft ja alles nichts. Ich habe zwar keinen Geruch und keinen Geschmack mehr, dafür aber frische Antikörper in mir. Also nichts wie rein ins Café, rein in die Bib, rein ins Leben und die Masterarbeit wird von nun an wieder unter Menschen geschrieben. Auf geht’s.
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