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Vier Tage arbeiten, drei Tage frei

Anna

Autor:
Anna

Rubrik:
studium

28.07.2024

Habt ihr euch schon einmal Gedanken gemacht, welche Rahmenbedingungen ihr euch später für eure Arbeit wünscht? Und dabei meine ich nicht den konkreten Beruf, sondern so etwas wie den Arbeitsort, die Art der Tätigkeit – oder auch die Arbeitszeit. In einem meiner Seminare beschäftigen wir uns damit, welche Auswirkungen diese „Kontextfaktoren“ darauf haben, wie es uns in der Arbeit geht. Dabei haben wir vor Kurzem über ein Thema gesprochen, das ich sowohl politisch als auch arbeitspsychologisch sehr spannend finde: die 4-Tage-Woche.

„Vier Tage arbeiten, drei Tage frei“ klingt für viele Menschen erst einmal super. Meine erste Erkenntnis war aber: 4-Tage-Woche ist nicht gleich 4-Tage-Woche.
So kann damit gemeint sein, dass …

  • man vier Tage die normale tägliche Arbeitszeit arbeitet und dafür den gleichen Lohn erhält wie vorher. Das ist aus Arbeitnehmenden-Sicht der Idealfall.
  • man vier Tage die normale tägliche Arbeitszeit arbeitet, aber auch nur für diese Stunden bezahlt wird, also insgesamt weniger verdient.  
  • man die normale wöchentliche Arbeitszeit auf nur vier Tage aufteilt. Das führt zu vier sehr langen Arbeitstagen mit bis zu zehn Stunden bei voller Bezahlung.

Zumindest für die ersten beiden Modelle gibt es aus gesundheitlicher Sicht viele gute Gründe: Erste Studien zeigen hier ein besseres Wohlbefinden, ein geringeres Burn-out-Risiko, weniger Krankheitstage und eine höhere Schlafqualität der Mitarbeitenden. Schließlich verspricht der „gewonnene“ Tag mehr Zeit für Familie und Care-Aufgaben, Freizeit, aber auch Arztbesuche oder Ehrenämter. Und: Viele Menschen in belastenden Berufen wie der Pflege arbeiten bereits jetzt nur vier Tage. Außerdem kann die 4-Tage-Woche in Zeiten des Fachkräftemangels für Organisationen auch ein gutes Mittel sein, um Arbeitskräfte für sich zu gewinnen.  

Natürlich gibt es auch viele Schattenseiten und offene Fragen: Das Modell mit geringerem Verdienst könnten und wollten sich viele Menschen sicherlich nicht leisten. Das dritte Modell mit bis zu zehn Stunden täglicher Arbeitszeit könnte große negative gesundheitliche Auswirkungen haben. Und das „ideale“ erste Modell? Das hätte vielleicht große gesamtwirtschaftliche Konsequenzen. Wenn es schlecht läuft, führt die vier Tage-Woche für Mitarbeitende außerdem zu mehr Druck, weil sie plötzlich die gleiche Anzahl von Aufgaben nun in einer kürzeren Zeit erledigen sollen. Damit das nicht passiert, müssten Organisationen Prozesse überarbeiten und flexible Lösungen für logistische Herausforderungen finden.

Ich bin sehr gespannt auf die weitere Entwicklung in den nächsten Jahren. Meine persönliche Meinung ist, dass in unserer Arbeitswelt langfristig ein Umdenken stattfinden (müssen) wird. In Belgien etwa haben alle Arbeitnehmenden jetzt schon das Recht, ihre 38 Stunden Wochenarbeitszeit auf vier statt fünf Tage aufzuteilen.

Und dass sich Arbeitszeit im Laufe der Zeit stark verändert, zeigt auch ein Blick in die Geschichte: Vor 150 Jahren lag die wöchentliche Arbeitszeit in Deutschland noch bei sage und schreibe 70 Stunden an sechs Tagen. Damals erschien die jetzige 5-Tage-Woche mit 40 Stunden vermutlich absolut undenkbar …