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Medizin studieren: Aufatmen

Ein Porträt-Foto von Maril

Autor:
Maril

Rubrik:
studium

03.05.2021

Ich hatte ganz vergessen, wie das ist. Aufatmen, durchatmen. Und nein, damit beziehe ich mich nicht auf die reduzierte Sauerstoffzufuhr infolge des ständigen Tragens von FFP2-Masken. Ich meine das Durchatmen auf der Metaebene. Ja, da merkt man es wieder. Lasst junge Menschen zur Uni und schon glauben sie, man müsse alles auf einem höheren sprachlichen Niveau erklären. Aber gut, das ist ein anderes Thema.

Was ich mit meinem obskuren „Durchatmen“ meine, ist das Gefühl der Entspannung und der Erleichterung, wenn man aus seinem Alltagstrott herausgeholt wird. Nicht durch einen Adrenalinstoß oder ein ganz außergewöhnliches Ereignis, sondern durch eine kleine, aber deshalb umso schönere Abwechslung – das kleine Glück, wie man so schönt sagt. Bei mir war das, als ich nach drei Wochen an der Uni am Wochenende meine beste Freundin besuchen konnte. Ja, ich weiß. Die ersten Wochen des Semesters und schon bin ich wieder geschafft? Zu meiner Verteidigung lässt sich nur sagen, dass ich mittlerweile auch schon meine ersten zwei Prüfungen (von insgesamt neun) für dieses Semester absolviert habe. Es ist dieser ewiger Kreislauf aus aufstehen, lernen (besser gesagt: büffeln), essen, Podcasts anhören, Übersichten schreiben, einkaufen, Videokonferenzen, Seminare, vielleicht ein bisschen Sport, wieder lernen und schlafen. Natürlich ist das mittlerweile nicht unbedingt ungewöhnlich für Studierende und natürlich ist das auch nicht alles. Ich schaue ab und zu einen Film, lese, gehe spazieren, höre Musik, koche und quatsche mit meiner Mitbewohnerin. Ein ganz normaler Studierendenalltag eben. Insgesamt ist das hier demnach Jammern auf hohem Niveau, ich gebe es ja zu. Doch es ist trotzdem anstrengend. Keine Abwechslung, der wortwörtliche Tapetenwechsel fehlt. Einmal Pause von diesem hektischen Trott und diesem Gefühl immer zu wenig für die Uni zu machen, zu wenig zu lernen, zu wenig zu wissen. Denn trotz dessen, dass ich verständlicherweise nicht die ganze Zeit etwas für die Uni mache, finde ich nicht die Ruhe mich zurückzulehnen und zu entspannen. Kein Wunder, denn wenn ich auch am Wochenende in meinem Zimmer im Studentenwohnheim bin und mich meine Bücher und Anatomie-Atlanten vorwurfsvoll anzustarren scheinen, da sie nicht aufgeschlagen auf dem Schreibtisch und ich nicht mit gerunzelter Stirn über sie gebeugt dasitze, dann ist abschalten so gut wie unmöglich.

Umso angenehmer war für mich dieses Wochenende in einer anderen Stadt, in einer anderen Wohnung, mit anderen Menschen. Einfach Abwechslung. Einfach Ruhe. Obwohl es natürlich trotzdem irgendwie auch Hektik war, aber angenehme Hektik. Die Hektik seinen Zug zu erwischen oder die perfekte Backzeit des Kuchens abzuschätzen ist eine andere als die, die entsteht, wenn man mit seinem Lernplan in Verzug ist oder wenn man in der fünfminütigen Pause zwischen zwei Online-Seminaren versucht, noch etwas zu essen und auf Toilette zu gehen. So viel steht fest.

Ich brauche also diese Pausen und Veränderungen in meinen sonstigen Abläufen, das weiß ich jetzt. Sonst bekomme ich noch die Krise, d.h. den Lagerkoller, mit dem ich zu Zeiten des ersten Lockdowns verschont geblieben bin – und darauf kann ich gut verzichten.