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Medizin studieren: COMSKIL

Ein Porträt-Foto von Maril

Autor:
Maril

Rubrik:
studium

07.06.2022

Und schon wieder eine Abkürzung. Manchmal habe ich das Gefühl, mein Studium bestehe ausschließlich aus Abkürzungen. Angefangen bei den anatomischen Begriffen (z.B. Aa. für die Arterien), über die Enzyme in der Biochemie (z.B. MAP-K für Mitogen-aktivierte Proteinkinase) und die ganzen chemischen Stoffbezeichnungen (z.B. HMG-CoA für 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A) sowie die Abkürzungen aus der Klinik (z.B. AVSD für Atrioventrikulärer Septumdefekt). Da kann einem schon mal der Kopf rauchen.

Aber man gewöhnt sich auch schnell daran. Innerhalb weniger Semester sind mir die meisten dieser Bezeichnungen in Fleisch und Blut übergegangen – was auch erklärt, warum Ärzt*innen so häufig als eine in ihrer eigenen Sprache kommunizierende, arrogante Gruppe wahrgenommen werden. Leider ist das manchmal tatsächlich eine zutreffende Beschreibung. Nicht zuletzt deswegen wurde wohl auch in die ersten vier Semester des Studiums, die sogenannte Vorklinik, das Fach Medizinische Psychologie und Soziologie eingebaut – inklusive eines Seminars und eines „Gesprächsführungskurses“.

In Leipzig heißt dieser Kurs auch COMSKIL-Kurs, weil er auf dem Gesprächsaufbau nach dem COMSKIL-Modell beruht. COMSKIL heißt so viel wie „Communication Skills“ – eine eher unspektakuläre Abkürzung also. In diesem Kurs sollen wir einen guten Umgang mit den Patient*innen erlernen, sodass sich diese fachlich wie auch emotional gut bei uns aufgehoben fühlen. Zu diesem Zweck machen wir im Laufe des Kurses Rollenspiele. Jede*r muss mindestens ein Rollenspiel als Ärzt*in mit Schauspielpatient*innen durchführen. Dabei werden verschiedene Problemsituationen simuliert, auf die wir dann angemessen reagieren sollten.

In meinem COMSKIL-Kurs musste ich beispielsweise mit der Wut und dem Frust eines mich anschreienden „Patienten“ umgehen. Ein Kommilitone von mir sollte einen besorgten, ängstlichen Vater über die Blinddarm-OP seiner Tochter aufklären und eine andere Kommilitonin hatte die schwierige Aufgabe, einer Patientin zu sagen, dass deren Gebärmutter entfernt worden sei. Die Gespräche fühlten sie durch die Schauspielpatient*innen sehr real an. An anderen Unis werden diese Rollenspiele nur unter den Kommiliton*innen gemacht. Ich denke, beide Konzepte haben ihre Vor- und Nachteile, doch schlussendlich bin ich froh darüber, wie der Kurs an meiner Uni organisiert ist. Zwar hat mich das Rollenspiel sehr gestresst (das Gespräch an sich, aber natürlich auch die Tatsache, das 15 Kommiliton*innen und der Kursleiter zuschauen), aber ich denke, dass ich viel mitnehmen konnte.

Ich werde vermutlich nicht noch einmal die Möglichkeit haben, meine Kommunikationsfähigkeiten in dieser Form zu üben. Für mich war der Kurs auch der erste „wirkliche“ beziehungsweise ernstzunehmende Patient*innenkontakt als Ärztin. Natürlich ist es noch ein langer Weg, bis ich mich so nennen darf und in diesen Rollenspielen fehlte auch die ganze Basis, nämlich das klinische Wissen, doch das ist nicht weiter schlimm. Das kommt noch im Verlauf des Studiums, genau wie die Erfahrung in der Kommunikation mit den Patient*innen. Doch ich bin erleichtert, dass es bei Letzterem nicht mehr nur Learning by Doing ist, denn, wenn man von den Falschen lernt, leiden am meisten die Patient*innen. Natürlich sind die Rollenspiele konstruierte Situationen und die perfekte Gesprächsführung, die wir am Ende erarbeiten, wird in der Realität niemand umsetzen können. Doch starte ich lieber mit dieser Idealvorstellung, an der ich mich orientieren kann, als ohne jegliche Anhaltspunkte.