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Medizin studieren: Die zwei Seiten einer Medaille

Ein Porträt-Foto von Maril

Autor:
Maril

Rubrik:
studium

12.07.2021

Nach zwei Semestern Medizinstudium erkenne ich langsam, wie sehr ich doch das Prinzip Studium dem Prinzip Schule vorziehe. Zumindest was das Lernen angeht. Allerdings war Schule auch häufig einfacher als ein Studium. Man musste nicht stundenlang einen eigenen Stundenplan zusammenbasteln, nicht versuchen sich mit hundert anderen Studierenden gleichzeitig für ein sowieso schon überfülltes Seminar einzuschreiben. Man musste sich nicht für Prüfungen anmelden und es gab häufig nicht nur zwei Versuche sondern manchmal auch eine dritte und vierte Chance – das waren dann die typischen „freiwilligen“ Referate kurz vor den Sommerferien. Und natürlich ist es auch im Vergleich zur Schulzeit während des Studiums manchmal schwieriger soziale Kontakte zu knüpfen und zu halten, vor allem in Zeiten der Corona-Pandemie. Man sitzt nun einmal in den meisten Studiengängen nicht mindestens sechs Stunden am Tag mit den gleichen zwanzig Leuten in einem Raum. Das bringt weniger Stress, aber manchmal auch weniger enge Freundschaften mit sich.

Das eigentlich Großartige an einem Studium ist für mich aber das eigenverantwortliche Arbeiten. Ich will nicht leugnen, dass ich gerade dadurch nicht manchmal verstärkt prokrastiniere und keine Motivation finde zu lernen. Aber da ich selbst entscheide, was und wann ich lerne, fühle ich mich doch insgesamt wohler. Ich finde es großartig, dass es gerade im Medizinstudium in den ersten vier Semestern eigentlich egal ist, wie man in den einzelnen (leider zahlreichen) Prüfungen abschneidet. Bestehen ist alles, manchmal erfährt man nicht einmal die erreichte Punktzahl. Das mindert ein bisschen den Stress beim Lernen und beendet für den einen oder anderen vielleicht auch den ewigen Konkurrenzkampf, den ich in meiner Schulzeit bei manchen MitschülerInnen beobachten musste. Das ständige Vergleichen ist nicht immer die beste Motivation. Genauso wenig ist es die manchmal etwas zu ehrliche Reaktion der LehrerInnen. Die enttäuschten Blicke und Sätze wie „War wohl nicht dein Tag, was?“ oder „Ich hätte mehr von dir erwartet“, wenn man eine in ihren Augen schlechte Note geschrieben hatte. Im Studium interessiert es in vielen Bereichen niemanden mehr so wirklich, ob und wie man durchkommt. Es liegt ganz bei dir und das ist Fluch und Segen zugleich. Momentan tendiere ich jedenfalls zu Segen.

In der Schulzeit haben viele noch um die Noten gekämpft, vor allem wenn man einen bestimmten Durchschnitt für das Wunschstudium benötigte – um nur ein typisches Beispiel zu nennen. Und zu viele Dreien und Vieren auf dem Zeugnis sahen auch einfach blöd aus.

Mittlerweile ist es mir bei den Klausuren meist egal, ob ich mit 60 oder mit 90% der Punkte bestehe. Ist das eine sehr faule Einstellung? Vermutlich. Doch mir nimmt es beim Lernen den Druck und manchmal lerne ich dadurch sogar effektiver bzw. schaue mir noch mehr zum Thema an, als für die Prüfung notwendig wäre. Aus Interesse zu lernen geht ja sowieso immer leichter als es nur für eine Prüfung zu tun. Das ist zwar keine allzu neue, aber dennoch immer wieder befreiende Erkenntnis.