Rubrik:
studium
31.01.2022
Autor:
Maril
Rubrik:
studium
31.01.2022
In meiner Familie und unter Freunden bin – oder besser gesagt war – ich bekannt als „die kleine Leseratte“. Ich habe mich immer gefragt, warum man ausgerechnet die Ratte mit dem Lesen verknüpfen musste. Das klingt so negativ, irgendwie nach Gier und Dreck – zumindest haben viele Menschen genau diese Assoziationen mit Ratten. „Bücherwurm“ ist auch nicht viel charmanter, wenn auch etwas verständlicher. Soviel ich weiß, wurde der Begriff dadurch geprägt, dass lesefreudige und literaturvernarrte Menschen sich die Bücher immer so nah vor das Gesicht halten, als würden sie sie aufessen wollen – eben wie die Bücherwürmer. Schmeichelhaft ist der Begriff jedenfalls auch nicht. Dabei war ich eigentlich immer recht stolz darauf, dass ich so gern und so viel lese. Für mich war es eine Charakterstärke, ganz ohne diesen fanatischen Zug, der in genannten Bezeichnungen mitschwingt.
Wie auch immer, mittlerweile nennt mich sowieso keiner mehr so. Ich lese natürlich immer noch und auch noch relativ viel, aber eben dennoch weniger als früher – und leider auch weniger, als ich gerne würde. So kommt es, dass mein ungelesener Bücherstapel weiter wächst und ich erst letztens wieder ein Buch in der Hand hielt, welches ich (wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt) zu meinem 18. Geburtstag geschenkt bekommen habe – also vor fast zwei Jahren. Natürlich arbeite ich meinen Stapel nicht immer chronologisch ab, doch es illustriert ganz gut, wie sich mein Leseverhalten (gezwungenermaßen) entwickelt hat.
Zurück zu besagtem Buch. Es ist das neuste Werk von Bill Bryson: „Eine kurze Geschichte des menschlichen Körpers“. Ich liebe Brysons Sachbücher, die man guten Gewissens zu populärwissenschaftlicher Literatur zählen kann. Angefangen hat es für mich mit „Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge“, dann kam „Eine kurze Geschichte von fast allem“. Er schafft es auf so angenehme und unterhaltsame Art vor Informationen nur so überquellende Bücher zu einem wahren Lesevergnügen zu machen. Und so ist es auch bei seinem neuesten Buch. Es stellt sich natürlich die Frage, warum ich als mittlerweile im dritten Semester studierende Medizinstudentin dieses Buch lesen sollte. Man könnte doch meinen, dass ich nach langen Uni-Tagen voller Anatomie, Biochemie und Physiologie nur mäßiges Interesse haben würde, solche Themen in meiner Gute-Nacht-Lektüre wiederzufinden. Etwas einseitig vielleicht. Überraschenderweise war dem nicht so. Da Bryson einen Hang zur Geschichte hat, ist sein Buch an vielen Stellen medizinhistorisch – ein spannendes Gebiet, mit dem ich bis jetzt nur wenig in Berührung kam. Das macht es abwechslungsreich und lässt mich darüber hinwegsehen, dass an naturwissenschaftlichen bzw. medizinischen Informationen für mich nicht viel Neues dabei ist. Diese Tatsache hat mich überrascht und auch erleichtert. Irgendwie scheint das Studium ja doch seine Spuren hinterlassen zu haben – auch wenn ich manchmal daran gezweifelt habe, ob in den letzten eineinhalb Jahren etwas bei mir hängen geblieben ist. Das ist jedoch der Beweis, der meine Zweifel (kurzweilig zumindest) zerstreut und eine kleine erfreuliche Bestätigung darstellt.
Im Gegensatz zu anderen Autoren in der populärwissenschaftlichen Sparte schafft Bryson es, die Dinge verständlich zu erklären, ohne sie zu sehr zu vereinfachen – und das ist eine großartige Fähigkeit für einen Sachbuch-Autor. Ich kann seine Bücher also nur wärmstens weiterempfehlen, vor allem auch für Leute, die mit Sachbüchern ansonsten Mühe haben.
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