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Schülerleben live: Schlangestehen

Ein Porträt-Foto von Emma

Autor:
Emma

Rubrik:
orientieren

05.01.2022

Es ist wohl die langweiligste Zeitverschwendung, die sich die Menschheit hätte ausdenken können und trotzdem müssen wir es fast jeden Tag: Schlangestehen. Egal ob an der Supermarktkasse, bei der Bank, beim Essenausteilen in der Mensa oder auf der Autobahn. Viele, viele Stunden Lebenszeit gehen dafür drauf, Schlange zu stehen. Ich gehöre wohl nicht zu einer Minderheit, wenn ich sage, dass mir das Warten oft ziemlich auf die Nerven geht. Vor einigen Tagen war es dann aber etwas anders.

Die letzten Wochen war ich eigentlich ständig im Stress, rannte meinem selbstgeschriebenen, total unrealistischen Zeitplan immer hinterher und habe oft nur die Hälfte von dem geschafft, was ich schaffen wollte. Mit einer halben Stunde Verspätung war ich auf dem Weg zu meinem Freund und musste eigentlich nur noch schnell zur Kasse, um eine Packung Tee zu bezahlen, dann über die Ampel, durch die Stadt und den Berg hochlaufen. Es fing leicht an zu regnen und dementsprechend mies war auch meine Laune. Dass es mir in dem Moment äußerst ungelegen kam, dass vor mir auf einmal noch sieben andere Menschen mit vollgestopften Einkaufswägen anstanden, ist offensichtlich. Dennoch blieb mir nichts Anderes übrig, als mich mit einem genervten Augenverdrehen am Ende der Schlange einzureihen und meine kostbare Zeit mit Warten zu vergeuden. Der Kassierer machte auch nicht den Eindruck als hätte er es besonders eilig und so fing ich an, die Menschen um mich herum zu beobachten. Da war eine Frau mit zwei Kindern ganz vorne an der Kasse, von denen das ältere sein jüngeres Geschwisterchen mit Schokolade fütterte, während seine Mutter mit den Einkäufen abgelenkt war. Zwei Leute weiter vorne stand eine ältere Frau mit Hut und Regenmantel, die eine Menge Katzenfutter in ihrem Einkaufswagen hatte. Ich dachte an das Klischee der verrückten Katzendame und diese konnte, angesichts ihres Großeinkaufes an Katzenbedarf, durchaus als eine solche durchgehen. Direkt vor mir in der Schlange erkannte ich einen Mann, der offensichtlich gerade von der Arbeit kam, denn er trug noch seine Postbotenuniform. Fasziniert beobachtete ich die vielen bunten Obst- und Gemüsesorten, die er nach und nach auf die Kasse legte, von denen ich viele gar nicht kannte und mir nicht ganz sicher war, ob ich sie alle wirklich probieren würde, denn sie sahen teilweise schon recht merkwürdig aus. Was man wohl damit kochen konnte?

Nachdem ich bezahlt und das Geschäft verlassen hatte, sah ich auf die Uhr und stellte überrascht fest, dass ich ganze zehn Minuten angestanden hatte. Ich war so versunken in die Beobachtung der anderen Menschen gewesen, dass ich gar nicht merkte, wie die Zeit verging. Interessanterweise waren es wohl genau diese zehn Minuten ganz banalen Ruhigstehens, die ich gebraucht hatte, um mein Stresslevel um einiges zu erniedrigen, denn plötzlich war ich ganz entspannt. Ich wartete noch einige Augenblicke und schaute den Regentropfen zu, die sich langsam zu kleinen Pfützen sammelten. Anschließend ging ich weiter über die Ampel, durch die Stadt und dann den Berg hinauf.