Rubrik:
orientieren
28.09.2021
Autor:
Thea
Rubrik:
orientieren
28.09.2021
Es tut weh. Und das, obwohl ich nicht mal direkt betroffen bin. Bei mir war kein Hochwasser. Doch nur ein paar Orte weiter erkenne ich nichts wieder und ich weiß, dass dort gute Freund*innen von mir Schlamm aus ihren Wohnungen schippen müssen. Ich werde nicht durch die Taliban bedroht. Und trotzdem sehe ich täglich in den Nachrichten, wie Menschen aus lebensbedrohlichen Umständen fliehen müssen und damit häufig alleine gelassen werden. Ich bin nicht an Corona erkrankt. Doch meine Mama berichtet mir immer wieder von den schrecklichen Umständen im Krankenhaus und isolierten Kindern, die um ihre Eltern weinen.
Und dann ärgere ich mich. Über Gaffer*innen, die die Zufahrten in Überschwemmungsgebiete verstopfen, die Politik, die nicht aus dem Quark kommt und über Leute, die immer noch die Maske unter der Nase tragen. Aus der Wut wird schließlich Trauer. Trauer, weil ich mich ohnmächtig fühle und all der Schmerz und die Wut auch nichts ändern. Doch vor allem werde ich wütend über mich selbst, da ich mich trotz meiner unbeschadeten Position und meiner heilen Welt mies fühle. Mir geht es doch gut! Mir fehlt es an nichts! Eigentlich steht es mir doch gar nicht zu, traurig zu sein, oder?
Aber das ist so auch nicht richtig. Auch wenn ich natürlich nicht direkt von solchen Katastrophen betroffen bin, habe auch ich Probleme. Denn es nimmt mich mit, wie unvorstellbar viel im Moment falsch läuft in meiner scheinbar heilen Welt. So viel Ungerechtigkeit, Leid und Elend. Ich fühle mich total übermannt von dieser Welle an furchtbaren Nachrichten, die über mich schwappt und mich erdrückt. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: Die Wut darauf, wie viel falsch läuft; das Mitleid, das ich den Betroffenen gegenüber empfinde; oder doch die Hilflosigkeit, dass ich es einfach aushalten muss und wie mit zusammengebundenen Händen auf das Leid blicke.
Weltschmerz empfinde ich nicht oft und kann mich meist gut durch einen realistischen Blick auf die Dinge und die Ablenkung des Alltags aus dem eigenen Tief herausretten. Aber dieses Mal hat es mich volle Kanne erwischt. Vieles scheint so aussichtslos und dann auch noch so vielschichtig. Ob Politik, Gesellschaft oder Klima: Nirgendwo scheint es rund zu laufen. Ich schäme mich für meine Mitmenschen und ihr Verhalten und bin fassungslos über so viel Ungerechtigkeit in so vielen gesellschaftlichen Bereichen.
Aber das ist menschlich! Ich glaube, dieser Punkt muntert mich am meisten auf: Ich bin nicht alleine mit den Schuldgefühlen, der Angst und den Sorgen. Anderen geht es genauso, denn es liegt nicht nur an mir. Wir alle tragen einen Teil der Schuld und damit auch die Verantwortung, die Dinge wieder gerade zu biegen.
Ich bin ein empathischer Mensch, der in der Lage ist, mit den Betroffenen zu leiden. Und ich glaube, es wäre andersherum wirklich bedenklich, wenn mich die Flut an negativen Nachrichten kaltlassen würde. Es gibt viel Leid in der Welt und das wird es immer geben. Daher ist es okay, wenn ich mich übermannt, erschlagen oder hilflos fühle.
Und auch wenn ich alleine nicht für die weltweiten Missstände verantwortlich bin, kann ich im kleinen anfangen. Mich informieren, spenden oder wählen gehen, und so die Welt ein kleines Stückchen besser machen. Denn alles hat einen Effekt auf meine Umwelt, auch wenn es manchmal vielleicht nicht so scheint. Auch wenn ich nur ein Mensch von vielen bin, kann ich im ganz Kleinen etwas bewirken. Und das motiviert mich unheimlich.
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